Kindermediennutzung im Verlauf der Zeit – eine Auswertung der wiederkehrenden KIM-Studie: Teil 2
Im ersten Teil unserer Analyse der wiederkehrenden KIM-Studie, einer Studienreihe des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, haben wir die Veränderungen im Medienbesitz von Jungen und Mädchen zwischen den fünf Studien von 2012 bis 2020 betrachtet. Sie finden diesen Beitrag hier. Dieser zweite Teil unserer Beitragsreihe zur Analyse der KIM-Studienergebnisse von 2012, 2014, 2016, 2018 sowie 2020 widmet sich der täglichen Nutzungszeit verschiedener Medien durch Kinder unterschiedlicher Altersgruppen.
Die KIM-Studie
Die KIM-Studie, erstmals veröffentlicht 1999, ist eine mittlerweile zweijährig veröffentlichte Basisstudie, welche den Stellenwert und die Nutzung von Medien im Alltag von Kindern zwischen sechs und 13 Jahren abfragt. Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest befragt hierfür jeweils circa 1.200 (Vor-)Schüler*innen unterschiedlicher Schul- und Vorschulinstitutionen mündlich, sowie deren Haupterzieher*innen in Schriftform. In dieser repräsentativen Studie werden beispielsweise das Interesse an Freizeitaktivitäten, die Verfügbarkeit verschiedener Medien im Haushalt oder auch Nutzungsregeln zu Medien abgefragt, um einen möglichst umfangreichen Eindruck des Medienumgangs der jungen Generationen zu schaffen.
Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest liefert hierbei hauptsächlich grundlegende Daten. Im Folgenden sowie weiteren, zukünftigen Artikeln, verwenden wir diese Daten, um eine Betrachtung interessanter Aspekte der Kindermediennutzung im Zeitverlauf vorzunehmen. Hierzu werden ausgewählte Daten der KIM-Studien von 2012 bis 2020 analysiert.
Methodik
Jede der betrachteten KIM-Studien (2012, 2014, 2016, 2018, 2020) stellt dieselbe Frage nach der täglichen Nutzung von Medien bei Kindern. Welche Medien nutzen Kinder täglich, und für wie viele Minuten nutzen sie die entsprechenden Medien? Angegeben wurde die Nutzungszeit hierbei von den jeweiligen Haupterzieher*innen der Kinder. Laut den Studienautor*innen erweisen sich diese Angaben im Vergleich mit anderen Informationsquellen zum Medienkonsum von Kindern als verlässlich. Weiterhin zeigen die Antworten einen signifikanten Unterschied der Mediennutzung zwischen den Altersgruppen; ältere Kinder nutzen fast alle Medien täglich länger als jüngere Kinder. Sie haben somit also insgesamt einen höheren täglichen Medienkonsum. Diese Unterschiede werden aufgrund der Altersgruppeneinteilung bei der Abfrage klar, die in den folgenden vier Stufen erfolgte: Sechs- bis Siebenjährige, Acht- bis Neunjährige, Zehn- bis Elfjährige und Zwölf- bis Dreizehnjährige.
Zu bedenken ist, dass nicht alle fünf betrachteten Studien durchweg dieselben Medien abfragen. Sowohl im Jahr 2014 als auch im Jahr 2016 wurde die Nutzungsdauer von Tablet-Spielen abgefragt, jedoch wurde diese Abfrage bereits bei der KIM-Studie 2018 wieder fallen gelassen. Die Spitzennutzung lag im Jahr 2016 bei 13 Minuten pro Tag durch Zwölf- bis Dreizehnjährige. Die Nutzung von Streaming-Angeboten und Youtube-Kanälen wird zudem erstmals in der KIM-Studie 2020 abgefragt. Alle Angaben zur täglichen Nutzung sind Durchschnittswerte, die Standardabweichung ist nicht angegeben. Es lässt sich aus den Angaben somit nicht lesen, ob und welche Medien besonders extreme Ausreißer in der Nutzung aufweisen.
Bewegtbildkonsum steigt
Bei der Betrachtung, welche in Abbildung 1 durchgeführt wird, ist auf den ersten Blick ein klarer Trend zu erkennen. Die Abbildung zeigt überwiegend den täglichen TV-Konsum von Kindern der vier unterschiedlichen Altersstufen, der mit jeder Abfrage abnimmt. Beispielsweise verringert sich der Konsum bei den Zwölf- bis Dreizehnjährigen, welche insgesamt am meisten fernsehen, um 44 Minuten am Tag, was einem Minus von fast 37 % entspricht. Der Rückgang in anderen Altersgruppen fällt weniger dramatisch aus. Unter den Acht- bis Neunjährigen fällt der Konsum von 86 Minuten täglich auf 64 Minuten, was einen Rückgang von fast 14 % darstellt. Hiermit ist jedoch lediglich klassisches Fernsehen gemeint. Wie die Abbildung ebenfalls zeigt, liegt die kombinierte Nutzung von Youtube-Kanälen der Fernsehsender und Streaming-Angeboten bei den Zwölf- bis Dreizehnjährigen bereits über dem Konsum klassischen Fernsehens. Bedeutend ist die Nutzung dieser neuen Angebote auch bei den anderen Altersgruppen. Eine Aufsummierung der Nutzungszeit klassischen Fernsehens mit jener der neueren Bewegtbildformate ergibt einen insgesamt sowie in jeweils jeder Altersgruppe stark gestiegenen Konsum von Bewegtbildformaten. Während 2012 die Zehn- bis Elfjährigen noch 100 Minuten täglich fernsahen, lag diese Zahl 2020 bei nur noch 73 Minuten. Mit der Einrechnung der Streaming- und Youtube-Nutzung ergibt sich in dieser Altersgruppe wiederum ein täglicher Konsum genannter filmischer Formate von 132 Minuten täglich.
Es scheint naheliegend, dass die Abnahme der TV-Nutzungszeit im Zusammenhang mit dem gestiegenen Konsum anderer bzw. neuerer filmischer Formate steht. Da allerdings erst in der KIM-Studie 2020 Daten für diese neueren Formate erhoben wurden, lässt sich bisher keine Entwicklung der Nutzungszahlen von Streaming- und Youtube-Angeboten darstellen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Nutzungszahlen der kombinierten Abfragen über Streaming und Ähnliches in der KIM-Studie 2020 andeuten, dass diese Medien bereits in den Jahren der früheren KIM-Studien für Kinder eine Rolle spielten, allerdings zu diesen Zeitpunkten schlicht nicht erfasst wurden. Da sich jedoch Streaming erst Anfang der 2010er-Jahre etablierte, ist in diesem Bereich die vergangene Entwicklung eher als Nutzungszuwachs zu vermuten. Unter dieser Annahme deuten die Daten an, dass der Konsum von Bewegtbildformaten im Verlauf des betrachteten Zeitraums insgesamt gestiegen ist.
Radionutzung geht leicht zurück
Abbildung 2 zeigt, dass der Konsum von Radiosendungen in allen Altersgruppen geringfügig abnimmt. Lediglich unter den Sechs- bis Siebenjährigen gab es eine kleine Spitze der Nutzungsdauer des Radios, als diese von 21 Minuten täglich im Jahr 2014 auf 27 Minuten täglich im Jahr 2016 anstieg. Jedoch verringerte sich der Konsum direkt danach wieder und im Jahr 2020 hörte diese Altersgruppe nur noch 20 Minuten täglich Radio. Insgesamt nahm die Radionutzung in allen Altersgruppen zwischen circa 28 % (Zwölf- bis Dreizehnjährige) und 20 % (Sechs- bis Siebenjährige) ab.
Jüngere lesen eher mehr
Nuancierter stellt sich der Verlauf der täglichen Lesedauer dar. Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass nur unter den Zwölf- bis Dreizehnjährigen eine anhaltende Entwicklung erkennbar ist, da der tägliche Konsum von Lesestoff von 25 Minuten im Jahr 2012 geringfügig abnimmt auf 20 Minuten im Jahr 2020. Bei den Sechs- bis Siebenjährigen ändert sich der Konsum von Lesestoff kaum und wird mit 18 Minuten täglich in der KIM-Studie 2020 gleich angegeben wie in der KIM-Studie 2012. Interessant ist besonders die Entwicklung bei den Acht- bis Neunjährigen. Die Nutzungszeit von Büchern und anderen lesbaren Medien schwankt im Betrachtungszeitraum, steigt aber insgesamt um fünf Minuten von 19 Minuten täglich auf 24 Minuten. Damit liegt sie hier unter allen abgefragten Gruppen am höchsten. An zweiter Stelle kommt der Lesestoffkonsum der Zehn- bis Elfjährigen, welcher über die betrachteten acht Jahre von 24 Minuten täglich auf 22 Minuten täglich abnimmt.
Es zeigt sich, dass lediglich die Sechs- bis Siebenjährigen weniger lesen als die ältesten Kinder aus der Erhebung, die ihrem Alter nach bereits in der weiterführenden Schule sind. Es bleibt abzuwarten, ob die Daten der nächsten KIM-Studie diesen Trend weiter zeichnen werden.
Durchweg starker Anstieg der Internetnutzung
Besonders auffällig ist der enorme Anstieg der täglichen Internetnutzung aller Altersgruppen der Kinder. Wie in Abbildung 4 zu sehen, sticht bei den jüngeren Kindern besonders die relative Entwicklung des Internetkonsums hervor. Bei den Sechs- bis Siebenjährigen stieg der Internetkonsum um einen Faktor von 3,5, von vier Minuten täglich auf 14 Minuten laut der KIM-Studie 2020. Bei den Acht- bis Neunjährigen hat sich die Internetnutzung mehr als verdoppelt, von 14 Minuten täglich auf 29 Minuten. Der bereits 2012 signifikant höhere Internetkonsum der Zehn- bis Elfjährigen im Vergleich zu den Acht- bis Neunjährigen, gelegen bei 30 Minuten täglich, verdoppelte sich bis 2020 nahezu auf einen Wert von 52 täglichen Minuten. Einen Anstieg von circa 27 % verzeichnet die Internetnutzung der Zwölf- bis Dreizehnjährigen, die 2020 bei 84 Minuten täglich lag.
Dieser immense Zuwachs durch alle Altersgruppen der Kinder hindurch beschreibt das größte Wachstum aller abgefragten Mediennutzung bei Kindern über den Betrachtungszeitraum hinweg. Ein möglicher Grund für diese Entwicklung könnte der drastische Anstieg des Eigenbesitzes von zumeist internetfähigen Smartphones bei den Kindern sein, den wir in unserem ersten Teil dieser Analyse dargestellt haben.
Videospielkonsum kaum verändert
In Abbildungen 5 und 6 zeigt sich, dass der Konsum von Videospielen auf Smartphones, also von sogenannten mobile games, ähnlich wie jener von Spielen auf Konsolen und PCs, im Betrachtungszeitraum kaum Veränderungen unterlag. Bei ersterem ist ein leichter Anstieg in allen Altersgruppen zu erkennen, letzterer verzeichnet eher einen geringen Rückgang.
Weiteres zur KIM-Studie
In unserem letzten Beitrag dieser Reihe haben wir uns mit dem Medienbesitz der Kinder selbst beschäftigt, aufgeteilt nach Geschlecht. In einer früheren Analyse der KIM-Studien von 2008 bis 2018 haben wir zudem den Medienbesitz der Haupterzieher*innen betrachtet. Gleichzeitig gingen wir auf die Bedeutung der Medien im Tagesverlauf ein, fassten gesammelte Daten zur Recherche im Internet zusammen und betrachteten die Ergebnisse der Studienreihe zu Digitalen Medien im schulischen Kontext.
Zuletzt gingen wir in einer Mini-Serie auf die Themeninteressen der Kinder zu sozialen Themen, zu Kultur und Bildung sowie zu technischen Medien ein.
Quellen und weiterführende Informationen
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2013): KIM-Studie 2012. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2012/KIM_Studie_2012.pdf (19.10.2022)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2015): KIM-Studie 2014. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2014/KIM_Studie_2014.pdf (19.10.2022)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2017): KIM-Studie 2016. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2016/KIM_2016_Web-PDF.pdf (19.10.2022)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2019): KIM-Studie 2018. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2018/KIM-Studie_2018_web.pdf (19.10.2022)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2021): KIM-Studie 2020. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2020/KIM-Studie2020_WEB_final.pdf (19.10.2022)