Let´s Playende als klassische Influencer*innen? Wie Kinder und Jugendliche die Videoplattform Youtube in Bezug auf Let´s Plays nutzen und inwieweit Let´s Playende eine Vorbildfunktion für diese erfüllen
Youtube zählt zu den beliebtesten Videoplattformen, vor allem für Kinder und Jugendliche, dies wird insbesondere durch Studien wie die jährlich erscheinende JIM-Studie oder vergleichbare Studien untermauert. Die sogenannten Let´s Plays tauchen in diesem Zusammenhang häufig auf und scheinen einen beträchtlichen Anteil im Nutzungsverhalten der Videoplattform zu haben.
Im folgenden Beitrag soll ein Überblick über relevante Daten aus diesem Bereich gegeben werden und eine genauere Betrachtung der Videoproduzierenden, den sogenannten Let´s Player*innen in Zusammenhang mit dem Konzept eines Influencers bzw. einer Influencerin erfolgen. Hierzu werden die beliebtesten Youtuber*innen aus diesem Genre genauer betrachtet und dargelegt, ob diese als klassische Influencer*innen gesehen werden können. Zudem soll die Bedeutung der Let´s Plays für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen erläutert und mögliche Risiken aufgezeigt werden.
Relevante Daten im Überblick
Youtube erfreut sich einer großen Beliebtheit bei Kindern und Jugendlichen. Dies spiegelt sich auch in zahlreichen Erhebungen wider. Aus der Kinder- & Jugendstudie 2022 von Bitkom geht hervor, dass bei den zehn- bis 18-Jährigen Youtube mit 67-88% (n=641) zu den beliebtesten Netzwerken zählt (Rohlender, 2022, S.8). Auch in der JIM-Studie aus dem Jahr 2022 taucht Youtube auf Platz vier (n= 1.155) bei den beliebtesten Apps auf (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2022, S. 28). Auffallend ist, dass in allen Studien die Häufigkeit der Nutzung von Youtube bei den Jungen viel höher ist als bei den Mädchen.
Das Thema Gaming bildet die Grundlage für das Interesse und Anschauen von Let´s Play Videos. Die KIM-Studie 2020 zeigt, dass die Häufigkeit des Spielens von Games aller Art mit dem Alter bis einschließlich 13 Jahren zunimmt (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020, S. 61). Auch die JIM-Studie 2022 verdeutlicht, dass das Spielen von digitalen Spielen mit 68% bei den Mädchen und 84% (n=1200) bei den Jungen, zu den beliebtesten medialen Freizeitbeschäftigungen zählt (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2022, S. 15). Auch hier fällt auf, dass diese Beschäftigung bei den Jungen beliebter ist als bei den Mädchen.
Schaut man sich gezielt die Nutzung von Let´s Plays auf Youtube an, so fällt auf, dass auch hier die Zahl von Jungen, die diese Videos schauen, sehr viel größer ist als die der Mädchen. Dies könnte auch mit der Tatsache in Verbindung stehen, dass das Gaming an sich bei den Jungen beliebter ist als bei Mädchen.
Die sogenannten Influencer*innen, welche im folgenden Abschnitt genauer erläutert werden, spielen eine immer wichtigere Rolle im Leben der heutigen Heranwachsenden, wie auch von der JIM-Studie 2022 mit der Frage nach dem Wunsch, selbst später Influencer*in zu werden, aufgezeigt wird. Bei dieser gaben 7% (n= 1200) an, sie wollen definitiv später einmal selbst Youtuber*in werden (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2022, S. 39). Das mag wenig erscheinen, betrachtet man jedoch die Tatsache, dass es Youtube erst seit dem Jahre 2015 gibt, ist dies schon eine beachtliche Zahl.
Let´s Plays und ihre Bedeutung für Heranwachsende
Es gibt verschiedene Arten von Let´s Plays, welche an dieser Stelle nicht näher erläutert, sondern nur genannt werden sollen. Helms (2019) unterscheidet zwischen den folgenden Arten:
- GamePlay
- Walkthrough
- Speedruns
- Longplay
Ein wesentlicher Bestandteil von Let´s Plays ist das Kommentieren der Player*innen (Venus, 2017; zitiert nach Meinke, 2017, S. 32). Im Wesentlichen muss ein gewisser „[…] Unterhaltungswert [zu] erkennen [sein]“ (Helms, 2019, S. 61), damit ein Video eines Let´s Playenden erfolgreich wird. Aus dem Vergleich der vorliegenden Studien und dem Hinzuziehen der Fachliteratur lässt sich sagen, dass Let´s Plays hauptsächlich aus Gründen des Entertainments konsumiert werden. Sie werden von der Zielgruppe aber auch geschaut, wenn bestimmte Faktoren dazu führen, dass sie das gezeigte Spiel nicht eigenständig spielen können (Helms, 2019, S. 68; Wimmer, 2017, S. 156). Weitere Gründe können sein, dass diese Videos zur Entscheidungshilfe für einen möglichen Kauf oder für die Lösung des Spiels hinzugezogen werden (Wimmer, 2017, S. 157).
Nicht außer Acht zu lassen ist der Aspekt der Produktplatzierung oder des Werbens für bestimmte Ausrüstungen und somit auch die mögliche Beeinflussung des Kaufverhaltens der Zuschauenden. Die Spielehersteller haben dies bereits frühzeitig erkannt und gehen mit den Videoproduzierenden, wie bereits in anderen Bereichen mit Influencer*innen, Werbeverträge ein (Meinke, 2017, S. 35; Helms, 2019, S. 73).
Mögliche Risiken von Let´s Plays
In diesem Abschnitt soll auf zwei wesentliche Aspekte eingegangen werden, die für Zuschauende problematisch sein könnten. Zum einen geht es um die Problematik der Altersfreigabe, denn während die Videos an sich für Kinder und Jugendliche freigegeben werden, sind viele verwendete und gezeigten Spiele der Let´s Plays erst für eine Altersgruppe ab 16 oder 18 Jahren freigegeben und geeignet (Gebel, Schubert & Wagner, 2016, S. 21; Helms, 2019, S. 73). Des Weiteren fällt die Auswahl der verwendeten Sprache der Let´s Player*innen meist nicht mit großem Bedacht aus, wodurch oftmals Fluchwörter oder nicht angebrachte Ausdrücke zur Aussprache kommen (Helms, 2019, S. 72).
Chancen von Let´s Plays
Der Trend vom Videoschauen der beliebten Influencer*innen auf Youtube bringt für die medienpädagogische Arbeit ein großes und nicht außer Acht zu lassendes Potenzial mit. Denn die „[…] Bildungsinstitution Schule, [kann] aufgrund ihrer Struktur nur sehr zeitverzögert auf aktuelle Trends reagieren […]“ (Kohring & Sindermann, 2017, S. 241). Weiter stellen Kohring und Sindermann (2017) fest, dass gerade Medienpädagog*innen oder Beteiligte in der Kinder- und Jugendarbeit solche Trends schneller aufgreifen und gezielte Angebote in diesem Bereich machen können. Das folgende Beispiel zeigt sehr eindrucksvoll, wie gut ein solches Angebot ausgearbeitet und in der Praxis durchzuführen ist: Jasmin Meinke (2017) hat in Zusammenarbeit mit der Jugendbibliothek Hoeb4U Hamburg ein Konzept für die Durchführung von Let’s Play Workshops mit jungen Heranwachsenden erarbeitet. Hierbei werden Let´s Plays gezielt zur Medienkompetenzförderung eingesetzt und sollen den Jugendlichen Kompetenzen in der Videoarbeit, Mediennutzung, -gestaltung und -kritik vermitteln sowie soziale Kompetenzen stärken.
Beliebte Youtuber*innen aus diesem Genre in einer Vorbildfunktion?
Zu den beliebtesten Youtuber*innen im Bereich der Let´s Plays zählen PewDiePie mit 111 Mio. Abonnenten und GRONKH mit rund 4,94 Mio. Abonnenten (Stand 17.04.2023). Eine Umfrage des Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (2022) zeigt auf, welche Influencer*innen bei den befragten Kindern und Jugendlichen zu den beliebtesten zählen. So bestätigt sich hier, dass die Tendenz des Trends insbesondere bei den Jungen liegt, da bei diesen vor allem Let’s Player*innen zu den beliebtesten Influencer*innen zählen. GRONKH schafft es hier auf Platz 1 (Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen, 2022, S. 2).
Für die weitere Betrachtung dieser Youtuber*innen und ihre mögliche Rolle als Vorbild soll an dieser Stelle eine Definition eines sogenannten Influencers bzw. einer Influencerin erfolgen:
„Als Influencerinnen und Influencer werden Personen bezeichnet, die in sozialen Netzwerken Produkte und Marken präsentieren. Sie besitzen durch eine starke Präsenz und ein hohes Ansehen bei ihrem Publikum einen großen Einfluss auf ihre Followerinnen und Follower.“ (Helms, 2019, S. 43).
Durch den bereits aufgezeigten Fakt, dass Kinder und Jugendliche anfangen den Wunsch zu äußern, später selbst einmal ein Influencer*in zu werden, geht hervor, dass Youtuber*innen durchaus auch als Vorbild angesehen werden können (Kehr, 2017, S. 53). Vorbilder sind gerade für Heranwachsende eine wichtige Instanz in der Entwicklung, da „[…] gerade während der Phase des Jugendalters Vorbilder einen geeigneten Halt darstellen, um Entwicklungsaufgaben entgegenzutreten.“ (Mehnert, 2019, S. 28). Generell geht aus der Literatur hervor, dass dabei ein Vertrauen zu den Youtuber*innen aufgebaut werden, sowie eine gewisse Sympathie und Authentizität gegeben sein müssen, damit diese eine Vorbildfunktion einnehmen können.
Fazit
Wie bei jedem Trend, der schnell aufploppt, sind umfassende Aussagen nur schwer zu treffen. Aber die ausführliche Recherche konnte sehr gut hervorbringen, welche Risiken in diesem Phänomen für Kinder und Jugendliche stecken, aber auch welches Potenzial in einem solchen Trend für die medienpädagogische Arbeit steckt.
Die zahlreichen Studien in diesem Bereich liefern einen sehr guten Überblick und bieten die Chance, die weitere Entwicklung des Genres zu beobachten und weiterzuverfolgen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die vorangegangene Leitfrage klar beantwortet werden kann. Let´s Playende können durchaus als Influencer*innen angesehen werden, da sie in vielerlei Hinsicht deren Kriterien erfüllen und auf die Zielgruppe einen beträchtlichen Einfluss im Gaming-Genre haben. Inwieweit sie auch eine Vorbildfunktion für Heranwachsende erfüllen, müsste näher untersucht werden, jedoch deuten die vorangegangenen Untersuchungen darauf hin, dass sie gerade in diesem speziellen Genre durchaus als Vorbild dienen können.
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Einfluss von solchen Influencer*innen in Zukunft auf Heranwachsende auswirken und welche Entwicklungen es in diesem Bereich geben wird.
Quellen und weiterführende Informationen
Gebel, C., Schubert, G. & Wagner, U. (2016): „Ich darf nur YouTube.“ Die Perspektive von Zehn- bis 14-Jährigen auf Online-Medien und Online-Risiken Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Monitoring-Studie. pedocs. Jugend Film Fernsehen e.V. https://www.pedocs.de/frontdoor.php?source_opus=12612 (17.04.2023)
Helms, G. (2019): Let’s Player als Influencer – Der Einfluss von Let’s Playenden auf das politische Interesse Jugendlicher und junger Erwachsener am Beispiel „PietSmiet“ [Magisterarbeit]. Universität Wien.
Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen. (2022, 27. Mai): Dagi Bee, Bibi, Gronkh und Julien Bam seit 5 Jahren konstant die beliebtesten Influencer*innen von Kindern und Jugendlichen [Pressemeldung]. https://izi.br.de/deutsch/presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen.htm (17.04.2023)
Kehr, M. D. (2017): YouTube als Sozialisationsinstanz für Kinder – Qualitative Untersuchung an einer Magdeburger Grundschule [Bachelorarbeit]. Hochschule Magdeburg-Stendal.
Kohring, T. & Sindermann, M. (2017): Einmal so wie Gronkh sein – Let’s Play-Videos in der offenen Kinder- und Jugendarbeit. In J. Ackermann (Hrsg.), Phänomen Let’s Play-Video (S. 241–255). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12936-1
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2020): KIM-Studie 2020. mpfs. https://www.mpfs.de/studien/kim-studie/2020/ (17.04.2023)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2022): JIM-Studie 2022. mpfs. https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2022/ (17.04.2023)
Mehnert, P. (2019): Die Bedeutung der Plattform YouTube für die Lebenswelt, die Identitätsentwicklung und den Kompetenzerwerb von Jugendlichen [Bachelorarbeit]. Hochschule Mittweida.
Meinke, J. (2017): Entwicklung eines medienpädagogischen Konzepts zur Durchführung von Let’s Play Workshops in Bibliotheken am Beispiel der Hoeb4U [Bachelorarbeit]. Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg.
Rohleder, B. (2022): Kinder- & Jugendstudie 2022. bitkom. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Online-Zeit-Kinder-Jugendliche-111-Minuten (17.04.2023)
Wimmer, J. (2017): „Erfahrenen Gamern sozusagen über die Schulter schauen“ Eine Interviewstudie deutscher YouTube-NutzerInnen zu Let’s Play-Videos. In J. Ackermann (Hrsg.), Phänomen Let’s Play-Video (S. 147–160). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12936-1