Rassismus in Kindermedien

Kindermedien spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Sozialisation junger Menschen. Sie dienen nicht nur der Unterhaltung, sondern prägen auch Weltbilder, Werte und Einstellungen. Doch was passiert, wenn diese Medien Stereotype und rassistische Vorurteile reproduzieren? Diese Frage untersucht Adolé Akue-Dovi in ihrem Buch „Kindermedien und Rassismuskritik“, mit einem besonderen Fokus auf die bekannte deutsche Hörspielreihe TKKG. Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse darüber, wie tief der Einfluss von Kindermedien reicht und warum rassismuskritische Reflexion dringend notwendig ist.
Was ist Rassismus?
Rassismus bezeichnet die Diskriminierung von Menschen aufgrund vermeintlicher „Rassenunterschiede“, die als biologisch oder kulturell begründet dargestellt werden. Rassismus umfasst Einstellungen und Handlungen, die Ausgrenzung und Unterdrückung rechtfertigen, indem willkürliche körperliche Merkmale als „Rassenmerkmale“ interpretiert werden. Außerdem dient er als Grundlage für soziale, politische und wirtschaftliche Ungleichheit und Diskriminierung (Rassismus, o.D.).
Die unsichtbare Macht von Stereotypen
In ihrer Analyse zeigt Akue-Dovi, dass gerade in den frühen Folgen von TKKG zahlreiche rassistische Stereotype und diskriminierende Begriffe auftauchen. Diese Darstellungen sind keineswegs harmlos: So werden in einer Szene italienisch-gelesene Menschen direkt als Mafiosi betitelt und in einer anderen Szene Araber als „Wüstensöhne“ (Akue-Dovi, 2022, S. 48-49). Kinder sind empfänglich für Botschaften, die ihnen durch Medien vermittelt werden, und neigen dazu, sie unkritisch zu übernehmen. Dadurch können stereotype Vorurteile verstärkt werden, die nicht nur verletzend für betroffene Kinder wirken, sondern auch ein diskriminierendes Verhalten in der Gesellschaft normalisieren.
Diese Erkenntnisse spiegeln sich auch in Jens Mätschkes Analyse von Kinderbüchern wider. In diesen wird deutlich, wie Kinder schon früh Differenzlinien erlernen, die sie mit Hautfarbe, Herkunft oder vermeintlicher kultureller Zugehörigkeit verbinden. Im Buch „Ich bin wie ich bin“ werden Menschen in rassifizierten Farbkategorien (z. B. Schwarz, Weiß, Gelb, Rot) eingeteilt, in „Die blaue Wolke“ werden verschieden farbige Menschen gezeigt, die sich gegenseitig bekämpfen. Solche Darstellungen könnten als „Warnung vor einem unvermeidlichen Konflikt zwischen rassifizierten Gruppen“ (Mätschke, 2016) interpretiert werden.
Kinder, die solchen Inhalten ausgesetzt sind, entwickeln oft ein Weltbild, das von diesen Unterschieden geprägt ist. Sie lernen nicht nur, Menschen auf Basis äußerlicher Merkmale zu kategorisieren, sondern auch die hierarchische Bewertung dieser Gruppen zu übernehmen. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf ihr Sozialverhalten und ihre späteren Einstellungen gegenüber Vielfalt.
Die Perspektive Schwarzer Kinder
Eine zentrale Fragestellung der Studie von Akue-Dovi war, wie Schwarze Kinder und Jugendliche die Reproduktion von Rassismus in der TKKG-Hörspielreihe wahrnehmen. In Gruppendiskussionen schilderten sie, wie bestimmte Darstellungen ihre Lebensrealität widerspiegelten und oft verletzend wirkten. Sie erkannten die stereotype Darstellung von Figuren mit „anders“ wahrgenommenem Aussehen und stellten diese kritisch in Frage. Gleichzeitig äußerten sie Wünsche nach einer diverseren Gestaltung von Hörmedien (Akue-Dovi, 2022).
Auch Mätschkes Analyse zeigt, wie Schwarze Kinder durch Kindermedien stark beeinflusst werden. Rassistische Darstellungen führen dazu, dass sie ihre eigene Identität in einem abwertenden Kontext wahrnehmen müssen, während weiße Kinder oft eine vermeintlich überlegene Identität entwickeln (Mätschke, 2016, S. 255). Kindermedien, die Machtstrukturen und kolonialistische Narrative reproduzieren, verstärken nicht nur Vorurteile, sondern stellen Schwarze Kinder vor zusätzliche Herausforderungen der Identitätsbildung.
Wie können wir handeln?
Die Studien von Akue-Dovi und Mätschke betonen gleichermaßen, dass es nicht ausreicht, Kindermedien als reine Unterhaltung zu betrachten. Medien können zur Festigung von Vorurteilen beitragen oder aber eine Chance bieten, Diversität und Inklusion zu fördern. Rassismuskritik ist dabei ein zentraler Ansatz, um die vermittelten Weltbilder zu hinterfragen.
Rassismuskritik bedeutet, die Reproduktion von Machtstrukturen und „Rassenkonstruktionen“ zu erkennen und bewusst zu durchbrechen. Akue-Dovi zeigt, dass dies auch die Auseinandersetzung mit diskriminierender Sprache und stereotypen Darstellungen erfordert. Mätschke geht noch weiter und zeigt, dass rassistische Inhalte oft tief in historischen Kontinuitäten verwurzelt sind. In Kinderbüchern wie „Hexe Lilli auf der Jagd nach dem verlorenen Schatz“ werden kolonialrassistische Bilder reproduziert, die eine vermeintliche Überlegenheit weißer Figuren darstellen und Schwarze Menschen oder indigene Gruppen exotisieren und abwerten (Mätschke, 2016, S.261-263).
Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Autorinnen und Autoren tragen die Verantwortung, kritisch mit Kindermedien umzugehen. Dies kann auf verschiedenen Ebenen geschehen: Erwachsene sollten die Inhalte, die Kinder konsumieren, kritisch hinterfragen, um stereotype und diskriminierende Botschaften aufzudecken. Dabei ist es wichtig zu prüfen, ob die dargestellten Charaktere divers und authentisch sind oder ob Klischees reproduziert werden. Gleichzeitig sollten Kinder ermutigt werden, ihre Wahrnehmung von Medien zu äußern und diese kritisch zu hinterfragen: Was fällt ihnen an den dargestellten Figuren auf, und wie fühlen sie sich dabei?
Auch Autorinnen und Autoren sind gefragt, diskriminierende Darstellungen zu vermeiden und stattdessen vielfältige Perspektiven einzubinden. Mätschke fordert darüber hinaus eine selbstkritische Reflexion der eigenen Sozialisation und rassifizierten Denkweisen, um diskriminierende Inhalte zu erkennen und zu vermeiden.
Ein Plädoyer für eine bewusste Medienkultur
Die Untersuchungen von Adolé Akue-Dovi und Jens Mätschke zeigen, dass eine rassismuskritische Reflexion in Kindermedien unerlässlich ist. Stereotype und diskriminierende Darstellungen prägen frühzeitig Weltbilder und verstärken gesellschaftliche Ungleichheiten. Deshalb müssen Medienschaffende, Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen kritisch hinterfragen, welche Werte und Normen Kindermedien vermitteln.
Eine bewusste Medienkultur bedeutet, Vielfalt als selbstverständlichen Bestandteil von Geschichten zu begreifen. Autorinnen und Autoren sollten überkommene Klischees hinter sich lassen und differenzierte, inklusive Erzählweisen entwickeln. Auch Verlage und Produktionsfirmen tragen Verantwortung: Sie sollten rassismuskritische Perspektiven einbeziehen und sicherstellen, dass ihre Inhalte divers und respektvoll sind.
Gleichzeitig ist es wichtig, Kinder frühzeitig für problematische Darstellungen zu sensibilisieren. Offene Gespräche über Medieninhalte helfen ihnen, Stereotype zu erkennen und ihre eigene Reflexionsfähigkeit zu entwickeln.
Kindermedien sind ein mächtiges Werkzeug zur Gestaltung der Gesellschaft von morgen. Indem wir bewusster mit ihnen umgehen, können wir Vorurteile abbauen und eine gerechtere, vielfältigere Zukunft fördern.
Quellen und weiterführende Informationen
Akue-Dovi, A. (2022). Kindermedien und Rassismuskritik. In Pädagogische Professionalität und Migrationsdiskurse. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38395-4
Mätschke, J. (2016). Rassismus in Kinderbüchern: Lerne, welchen Wert deine soziale Positionierung hat! In Springer eBooks (S. 249–268). https://doi.org/10.1007/978-3-658-14721-1_15
Rassismus. (o.D.). Brockhaus Enzyklopädie Online. Abgerufen am 27. Januar 2025, von https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/rassismus