Einflüsse von Medien auf die Fantasie von Kindern

In der heutigen digitalen Welt sind Medien allgegenwärtig und prägen die Entwicklung von Kindern auf vielfältige Weise. Fernsehen, Smartphones oder Videospiele sind nicht nur Quellen der Unterhaltung, sondern beeinflussen auch die kindliche Fantasie und Kreativität.
Jahrelang galt das Fernsehen als Feind der Fantasie. Es bestand die Vorstellung, dass der Medienkonsum für Kinder überwiegend passiv erfolge und ihre Fantasie sowie ihr Denken unterdrücke, wohingegen das traditionelle Buch als fantasiefördernd angesehen wurde (Arnett, 2007). Dieses Verständis ist geprägt von einer bewahrpädagogischen Haltung, die davon ausgeht, Kinder müssten vor schädlichen Einflüssen geschützt und in möglichst „reinen“ Schonräumen aufwachsen (Hoffmann, 2022). Bezog sich die “Gefahr” anfangs auf den Film, war es später das Fernsehen (Schorb, 2022). Lange galt Fernsehen, ebenso wie Videospiele oder das Internet, als Gefährdung. Der Vorwurf lautete, dass sie Kindern vorgefertigte Bilder und Inhalte liefern – wodurch keine eigenen Fantasiegebilde entstehen könnten. Diese Sichtweise gilt heute jedoch als überholt. Alltagsbeobachtungen zeigen, dass Kinder Medieninhalte durchaus kreativ verarbeiten und in ihre Fantasiewelt integrieren, etwa beim Nachspielen oder dem Erfinden eigener Geschichten auf Grundlage der gesehenen Inhalte (Arnett, 2007).
Doch welchen Einfluss können diese Medien auf die Vorstellungskraft von Kindern genau ausüben? Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dieser Frage.
Medien als Katalysatoren der Fantasie
Medien sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Alltags vieler Kinder. Die miniKIM-Studie aus dem Jahr 2023 ergab, dass 84 Prozent der Jungen und Mädchen im Alter zwischen zwei und fünf Jahren wöchentlich mindestens ein Bewegtbildangebot nutzen – sei es über Streamingplattformen, Mediatheken oder klassisches Fernsehen (miniKIM-Studie, 2023). Bei den Sechs- bis Dreizehnjährigen sehen laut KIM-Studie aus dem Jahr 2024 92 Prozent mindestens wöchentlich und 67 Prozent täglich fern (KIM-Studie, 2024). Die JIM-Studie aus dem Jahr 2024, welche die Mediennutzung von Zwölf- bis 19-Jährigen betrachtet, kam zu dem Ergebnis, dass etwa drei Viertel regelmäßig fernsehen. 85 Prozent der Jugendlichen schauen Videos auf Plattformen wie YouTube und 69 Prozent nutzen Video-Streaming-Dienste wie Netflix. Die Mediennutzung sowie deren Häufigkeit nimmt mit steigendem Alter zu (JIM-Studie, 2024).
In den Studien blieben jedoch oftmals wichtige Variablen unberücksichtigt, etwa die „dispositionelle Bereitschaft des Kindes zu kreativen Leistungen oder fantasievollem Spiel“ (Orde, 2014, S. 53). Darüber hinaus scheint weniger dem Medium eine wichtige Rolle bei der Fantasieentwicklung zuzukommen, als vielmehr der Qualität des konsumierten und stimulierenden Inhaltes (Orde, 2014). Dass das Fernsehen nicht als Feind der kindlichen Fantasie angesehen werden kann, zeigt auch die Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Bildungs- und Jugendfernsehen (IZI) aus dem Jahr 2001.
Im Rahmen der Studie wurde die Fantasie von Kindern im Alter von acht bis neun Jahren aus Deutschland, Israel, Südkorea und den USA unter anderem darauf untersucht, wie diese von Medien mitgeprägt wird. Die Aufgabe der Kinder bestand darin, ihre Tagträume zu malen und zu beschreiben. Dabei zeigte sich: Viele Kinder greifen auf Inhalte aus Fernsehsendungen, Hörspielen oder Büchern zurück und verarbeiten diese kreativ. Sie bauen also bekannte Figuren, Welten oder Handlungen in ihre Fantasien ein und spinnen sich damit ihre eigenen Geschichten (IZI, 2001).
In der genaueren Analyse zeigte sich, dass Kinder unterschiedliche Arten von Fernsehinhalten auf unterschiedliche Weise in ihre Fantasie einbauen. Zum Beispiel werden aus Zeichentrickfilmen eher einzelne Szenen oder Eindrücke in die Fantasie mit aufgenommen und daraus etwas Eigenes entwickelt. Die Fantasieinhalte sind also eher lose inspiriert vom Gesehenen. Bei Realfilmen versetzen sich die Kinder oft direkt in die Hauptrolle. Hier orientieren sich ihre Fantasien also stärker an der Handlung des Films und bleiben damit näher am Original. Fantasiefilme werden wiederum oft als Schauplatz für die kindlichen Abenteuer genutzt (IZI, 2001). Bei Medien handelt es sich also um Elemente, die in die kindliche Vorstellungskraft integriert werden.
Allerdings benennt die Studie auch kritische Aspekte: Das Fernsehen vermittelt nicht selten bestimmte Vorstellungen, etwa über Geschlechterrollen, Werte oder andere Länder. Besonders problematisch sei es, wenn Medieninhalte eng mit der Werbung oder dem Konsum verknüpft sind. Kinder werden hier schnell nur noch als Zielgruppe für Produkte gesehen. Werbung, wie z. B. für das Disneyland, kann sich daher stark in ihren Fantasien widerspiegeln (IZI, 2001).
Eine zu hohe Fernsehzeit wurde von der Studie zudem als hinderlich für die kindliche Fantasie eingeschätzt, denn “durch die andauernde Rezeption des erlebnisintensiven und reizstarken Mediums können aber auch genau die Räume, die für die Entwicklung und Weiterführung der Fantasien notwendig wären, verloren gehen.” (IZI, 2001, S. 6). Diese kritische Perspektive wird durch neuere Forschungsergebnisse untermauert.
Eine Studie der Universität Regensburg aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass eine längere Bildschirmzeit in Verbindung mit einer verminderten Fähigkeit zu inneren Bildern bei Kindern führt. Der Studie lag die Hypothese zugrunde, dass Kinder, die mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen, seltener die Gelegenheit haben, eigene innere Bilder aktiv zu entwickeln. In den Ergebnissen zeigte sich, dass Kinder, die mehr Zeit mit Bildschirmmedien verbringen, eine deutlich geringere Genauigkeit ihrer inneren Bilder aufwiesen. Den Autoren zufolge könnten Medien möglicherweise so gestaltet werden, dass sie die Fähigkeit zur inneren Vorstellung mentaler Bilder fördern. In einem Schulsetting könnten sie beispielsweise in andere Aktivitäten eingebunden werden, die das sensomotorische System anregen – also zum Beispiel Aktivitäten, die mit Erlebnissen im Freien zu tun haben (Suggate & Martzog, 2020). Kindern sollte also die Möglichkeit und der Raum gegeben werden, eigene Fantasien zu entwickeln und auszuleben. Diese Freiräume, Fantasien zu entfalten, werden als zwingend notwendig erachtet. Arnett zufolge deuten viele Forschungen jedoch darauf hin, dass letztlich die Art der Inhalte, die Kinder ansehen, wichtiger für ihre Fantasie und ihr kreatives Spiel sind, als die Menge an Zeit, die sie mit Medien verbringen (Arnett, 2007).
Gefahren durch einen unzureichenden Kindermedienschutz
Aufgrund eines unzureichenden Kindermedienschutzes besteht eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass Kinder auf unangemessene Inhalte stoßen, die für ihre Entwicklung nicht angemessen sind. Diese Darstellungen können Kinder in ihrer Vorstellungskraft und emotionalen Entwicklung stark beeinflussen. Gewalthaltige Inhalte können Ängste und Albträume hervorrufen und das Gefühl der Sicherheit beeinträchtigen (Kindergesundheit-info.de, 2024). Es ist daher besonders wichtig, dass Erziehungsberechtigte darauf achten, dass die Kinder altersgerechte und gewaltfreie Inhalte konsumieren, um ihre Fantasie gesund und ohne schädliche Einflüsse zu fördern.
Mit Medien die Fantasie von Kindern auf kreative Weise fördern
Medien wie Hörspiele bieten gute Ansätze für Ideen, um Geschichten weiterzuerzählen oder nachzuspielen. Für Eltern empfiehlt es sich, dass sie ihre Kinder dazu ermutigen, selbst aktiv zu werden. Zum Beispiel können sie mit unterschiedlichen Medien wie einer herkömmlichen Digitalkamera, dem Smartphone, einem Tablet oder dem Computer eigene Fotos machen oder kleine Filme erstellen. Für jüngere Kinder kann es spannend sein, eine selbstgemachte Radiosendung oder Fernsehsendung zu gestalten. Zusätzlich kann man gemeinsam sein Zubehör für die Aktivitäten selber basteln, zum Beispiel eine VR-Brille oder eine Lochkamera (Schau hin!, o.D.a).
Die Bedeutung einer ausgewogenen Mediennutzung
Die Einflüsse von Medien auf die Fantasie von Kindern können also unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden. Einerseits können sie die Fantasie fördern, indem sie neue Welten eröffnen und zum kreativen Denken anregen, andererseits können sie die kindliche Vorstellungskraft auch einengen oder Verunsicherungen hervorrufen, wenn Medienbilder auf Gewalt und Stereotype fokussiert sind.
Eine ausgewogene und reflektierte Mediennutzung ist daher entscheidend. Kinder sollten zudem befähigt werden, die Inhalte, die sie rezipieren, kritisch einzuordnen. Eltern und Pädagog*innen können dabei nicht nur eine begleitende Rolle einnehmen, sondern Kinder auch unterstützen, die Nutzung aktiv zu gestalten – etwa durch gemeinsame Medienprojekte oder Gespräche, die die Kinder zum Reflektieren anregen. Sie können zudem als wichtige Ansprechpartner*innen fungieren, die mit den Kindern über das Gesehene und Gehörte sprechen und sicherstellen, dass die Medieninhalte angemessen und altersgerecht sind (Schau hin!, o.D.b).
Fazit
Medien sind nicht der Feind der kindlichen Fantasie, sondern ein Teil der Welt, mit der Kinder ihre eigenen Vorstellungen und Erzählungen entwickeln. Sie können als wertvolle Inspirationsquelle dienen, vorausgesetzt, sie bieten vielfältige und differenzierte Inhalte. Dabei kommt es zudem auf die richtige Balance an. Ein übermäßiger, einseitiger oder stereotyper Konsum kann die Entwicklung der Fantasie einschränken und zu problematischen Wahrnehmungen führen. Fachleute sind sich einig: Wie stark Medien wirken, hängt davon ab, wie stark der Konsum ausfällt und was Kinder überhaupt konsumieren. Eltern und Pädagog*innen sollten daher einen bewussten Umgang mit Medien fördern, der nicht nur die Nutzung, sondern auch die kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten umfasst. So können Medien zu einer Bereicherung der Fantasie werden, die die Kreativität und Vorstellungskraft von Kindern auf gesunde Weise unterstützt und erweitert.
Quellen und weiterführende Informationen
Arnett, J. J. (2007): Fantasy, media effects on. Encyclopedia of children, adolescents, and the media, vol. 2, 327-328. https://doi.org/10.4135/9781412952606 .n166
Bildungsklick (2007): Wie Medien die kindliche Fantasie prägen. https://bildungsklick.de/hochschule-und-forschung/detail/wie-medien-die-kindliche-fantasie-praegen . (05.06.2025)
Hoffmann, B. (2022): Bewahrpädagogische Strömung der Medienpädagogik. In: U. Sander; F. von Gross; K.-U. Hugger. (Hrsg.) Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: Springer VS, 25-33. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23578-9_3
Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (2001): „Kinderfantasien du Kinderfernsehen“. https://izi.br.de/deutsch/forschung/Sonstige_Forschungsprojekte/kinderfantasien.pdf (05.06.2025)
Kindergesundheit-info.de (2024): Wie Medien Kindern schaden können. https://www.kindergesundheit-info.de/themen/medien/mediennutzung/medien-gefahren/. (05.06.2025)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2023): miniKIM-Studie 2023: Kleinkinder und Medien. https://mpfs.de/studie/minikim-2023/ . (05.06.2025)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2024): JIM-Studie 2023: Jugend, Information, Medien. https://mpfs.de/studie/jim-studie-2024/ . (05.06.2025)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2024): KIM-Studie 2024: Kindheit, Internet, Medien. https://mpfs.de/studie/kim-studie-2024/ . (24.06.2025)
Orde, H. von (2014): Macht das Fernsehen Kinder unkreativ? Erklärungshypothesen und ausgewählte Studien. TELEVIZION, 27/1, 50-53.
Pixabay (2017): Giraffenbild. https://pixabay.com/de/photos/giraffe-kind-natur-traum-fantasie-1959110/ . (05.06.2025)
Schau hin! (o.D.a): Kreativ mit Medien – so fördern Eltern ihre Kinder.
https://www.schau-hin.info/grundlagen/kreativ-mit-medien. (05.06.2025)
Schau hin! (o.D.b): Gewalt in Film und TV: So schützen Sie Kinder. https://www.schau-hin.info/sicherheit-risiken/kinder-schuetzen-vor-gewalt-in-filmen. (05.06.2025)
Schorb, B. (2022): Medienpädagogik als Handlungswissenschaft. In: U. Sander; F. von Gross; K.-U. Hugger. (Hrsg.) Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: Springer VS, 42-55. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23578-9_3
Suggate, S. P.; Martzog, P. (2020): Screen-time influences children’s mental imagery performance. Developmental Science, 23/6, 1-13.