Barbie als Symbol für Diversität und Inklusion? Eine Betrachtung der Neuentwicklung von Barbies
Einleitung
Insgesamt ist bei Barbies eine neue Entwicklung zu beobachten. Der aktuelle Zeitgeist von Diversität und Inklusion wird durch das neue Erscheinungsbild von Barbies widergespiegelt. Aktuelle Barbie-Puppen Kollektionen sind von kulturellen Einflüssen geprägt und es ist eine Entwicklung hin zur Repräsentation von Minderheiten in der Gesellschaft bei Barbies ersichtlich. Barbie-Puppen verkörpern somit inzwischen nicht mehr nur verschiedene Hautfarben und Haarstrukturen, sondern auch unterschiedliche Körpergrößen und -formen sowie körperliche Einschränkungen.
Neue Wertevermittlung durch Barbies
Barbies gibt es inzwischen seit über 60 Jahren und sind immer noch ein beliebtes Spielzeug von Kindern (Webb et al., 2023, 201). Laut des Herstellers Mattel werden im Durchschnitt pro Jahr 80 Millionen Barbies in 150 Ländern verkauft und damit 152 Barbie-Puppen pro Minute (Gruber/Baum, 2023, Abs.2). Im Durschnitt sind Mädchen im Besitz von sieben Barbie-Puppen, die es mit vielen verschiedenen Gesichtern, einer großen Auswahl an Kleidungsstücken und in unterschiedlichen Berufen gibt (Gruber/Baum, 2023, Abs.1).
Im Vergleich zu früher sind Barbies allerdings nicht mehr nur auf eine Spielzeugmarke begrenzt. Bei Barbies ist die Marketingpräsenz seit Corona verstärkt digital auf Social-Media ausgerichtet. Dies verdeutlicht, dass das Unternehmen Mattel seine Zielgruppe ausweitet und nicht mehr nur kleine Mädchen, sondern auch junge Frauen durch die neuen Barbies angesprochen werden. Insbesondere durch prominente Personen werden virale Modetrends in der Farbe Pink über Social-Media gesetzt und Nutzer*innen mit verschiedenen Kleidungsstücken in der Farbe Pink angesprochen. Durch dieses Barbiecore-Phänomen ist auch die Farbe Pink ein Zeichen für Feminismus, Diversität und Inklusionswerte geworden (Webb et al., 2023, 201; nach Ike, 2022; Ward, 2022).
Damit fällt auf, dass die Marke Barbie revolutioniert und an aktuelle Themen angepasst wird. Auf der Webseite des Herstellers Mattel wird der Wandel von Barbies besonders deutlich, da Barbie-Puppen zu den Kategorien Vorbilder, Karrierepuppen und Mint-Aktivitäten präsentiert werden (Barbie Webseite, o. D.). So steht Barbie inzwischen für feministische Themen, Inklusion und soziale Gerechtigkeit, was auch durch die Barbie-Kampagnen von Mattel wie #CloseTheDreamGap, Sheroes und Inspiring Woman Kollektionen deutlich wird. Diese neuen Barbie-Kollektionen stehen damit für die Werte Vielfalt und Verantwortung (Webb et al., 2023, 202; nach Cramer, 2020; Dockterman, 2016; Samosa, 2021).
Die Diversifizierung der Barbie-Welt
Im Jahr 2023 kam die erste Barbie-Puppe mit Down-Syndrom bzw. Trisomie 21 auf den Markt (AFP, 2023, Abs.1). Das Gesicht der Barbie-Puppe ist an das Aussehen von Menschen mit Down-Syndrom angelehnt, so dass das Gesicht runder wirkt sowie kleinere Ohren, einen flacheren Nasenrücken und leicht mandelförmige Augen aufweist (AFP, 2023, Abs.2–5). Dies zeigt, dass Barbie-Puppen auch als diversitätssensibles Spielzeug für Kinder gedacht sind, die Minderheiten angehören (Güttel, 2022, Abs.1).
Durch die Repräsentation von Minderheiten in Spielzeugen gibt dies den betroffenen Kindern das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein, denn wenn die Darstellung gesellschaftlicher Abweichungen ,,[…] in der Spielzeugwelt ankommt, normalisiert es sich. Ich bin also nicht allein mit dem, was ich bin“ (Güttel, 2022, Abs.12). Barbies verkörpern damit nicht mehr nur ein bestimmtes Körperideal, sondern es gibt Barbies nun auch als kurvige oder kleine Frau oder mit unterschiedlichen Hautfarben (Gruber/Baum, 2023, Abs.4). So werden bei Barbie Fashionista-Puppen sichtbare äußerliche Unterschiede wie Vitiligo, Kahlheit sowie körperliche Behinderungen dargestellt (Webb et al., 2023, 207).
Einerseits soll es dadurch Kindern mit Behinderung ermöglicht werden, sich mit einer Barbie-Puppe zu identifizieren. Andererseits sollen dadurch ebenso auch Kinder ohne Behinderungen dazu ermutigt werden, mit Puppen zu spielen, die nicht ihrem eigenen Aussehen entsprechen. So lernen Kinder schon früh, dass es Menschen gibt, die anders aussehen als sie selbst (AFP, 2023, Abs.1–4). Die Vizepräsidentin von Mattel, Lisa McKnight, ist der Meinung, dass das Spielen mit Barbie-Puppen ein Mittel gegen soziale Stigmatisierung ist (AFP, 2023, Abs.3).
Auch die männliche Barbie als Ken ist vielfältiger geworden, so gibt es inzwischen auch Ken mit Männerdutt (Gruber/Baum, 2023, Abs.2). Viele Barbie-Puppen sind auch auf verschiedene Hilfsmittel angewiesen, wie zum Beispiel auf Rollstühle, Hörgeräte oder Prothesen (Webb et al., 2023, 202). Manche Barbies sind zudem auch beweglicher geworden, wie die Made to Move-Barbies, die aktiver und realistischer wirken als die anderen Barbies und darauf ausgerichtet sind, Kinder zu mehr körperlicher Aktivität zu animieren (Webb et al., 2023, 2021; nach Finnegan, 2018). Insgesamt verdeutlichen die neuen Barbie-Puppen Kollektionen den Wandel zu mehr Diversität bei Barbies.
Das stereotypische Barbie-Ideal
Die festzustellende Diversität von Barbies liegt insbesondere in der Kritik begründet, dass traditionelle Barbies mit der sexualisierten Körperproportion von Schlankheit für viele Mädchen einen unrealistischen Körperbau verkörpern und Barbies damit bereits im Kindesalter das Wohlbefinden junger Menschen beeinträchtigen. So konnte in früheren Untersuchungen bereits festgestellt werden, dass für junge Mädchen im Alter von fünf bis zehn Jahren das Spielen mit traditionellen schlanken Barbies zu einem negativen Empfinden des eigenen Körperbildes führt (Webb et al., 2023, 201; nach Dittmar/Halliwell/Ive, 2006).
Barbie-Puppen besitzen zwar in Deutschland einen Bekanntheitsgrad von 100 % (Presseportal Appinio, 2023, Abs.3). Die Diversität bei Barbie-Puppen ist allerdings wenig bekannt und oftmals werden Barbies noch mit dem Schönheitsbild hellhäutig, dünn und blond assoziiert (Güttel, 2022, Abs.2). Kleine Mädchen bevorzugen auch beim Spielen größtenteils weiterhin die klassischen dünnen Barbie-Puppen, statt die neuen Barbie-Puppen mit einem kurvigen Körperbau (Harriger et al., 2019, 107). Mehrere Studien kommen damit zu dem Schluss, dass trotz der diversifizierten Barbie-Puppen dennoch das schlanke Schönheitsideal von Barbies bei drei- bis vierzehnjährigen Mädchen verankert ist (Webb et al., 2023, 201; nach Harriger et al., 2019; Nesbitt et al., 2019; Worobey und Worobey, 2014).
Auch die Marktforschungsplattform Apino stellte 2023 fest, dass die Diversität von Barbies in Deutschland noch kaum wahrgenommen wird. So gaben 60 % der 1.000 befragten Personen an, Barbie mit den Aspekten Mode und Styling zu verbinden, während nur 10 % Barbie in Zusammenhang mit den Werten Diversität und Inklusion sehen. Dabei ist allerdings auch die Entwicklung festzustellen, dass die Akzeptanz für Jungen mit dem Spielen mit Barbie-Puppen zunimmt und Jungen heutzutage häufiger mit Puppen spielen als früher (Presseportal Appinio, 2023, Abs.1–3).
Mehr Informationen über die Entwicklung des Frauenbilds in Kindermedien und der Darstellung geschlechtsspezifischer Rollenbilder sind mit zusätzlichem Video und dazugehörender Broschüre in dem Beitrag Das Frauenbild in Kindermedien vom November 2023 nachzulesen.
Diversität als Werbemittel?
Die Schwierigkeit der neuen inklusiven Barbie-Puppen liegt neben dem Festhalten am stereotypen Barbie-Ideal darin, dass Kinder in ihrer Spielwelt das reale Leben nachspielen wollen. Da aber die Mehrheit der Bevölkerung nicht den Merkmalen der Minderheiten in der Gesellschaft entspricht, ist für die meisten Kinder auch diversitätssensibles Spielzeug fremd (Güttel, 2022, Abs.8).
Fest steht, dass diversitätssensibles Spielzeug nur dann für Kinder relevant wird, wenn diese selbst betroffen oder durch das eigene Umfeld für diese Neuentwicklung bei Spielsachen offen sind. Ansonsten sind Barbies mit sichtbaren Unterschieden zu anderen Barbie-Puppen für Kinder weitgehend noch unwichtig (Güttel, 2022, Abs.4–5). Allerdings ist die Vermarktung von Diversität in Kinderspielsachen jedoch ein Zeichen des Strebens ,,liberaler Gesellschaften nach einer Maximierung des individuellen Lebensstils“ (Lebok/Ginzburg, 2023, 153). Beispielsweise wird durch das Angebot vielfältiger Körpertypen bei Barbies die Akzeptanz verschiedener Körperformen bereits bei kleinen Kindern gefördert, womit das Angebot inklusiver Barbie-Puppen zur Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz der Individualität beiträgt (Harriger et al., 2019, 108).
Spielzeug ist jedoch nicht nur ein ,,Werbeträger von Ideen, es verkörpert [auch] Produkt-Philosophien und Marketing-Konzepte.“ (Horn, 2022, 325). Damit kann Diversity-Management als Teil der Marketing-Ausrichtung des Unternehmens Mattel verstanden werden, denn eine „Marke lebt ihre Haltung, indem sie sich aktiv für die Verbesserung oder Veränderung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder politischer Zustände einsetzt und fordert ihre Kunden dazu auf, sich an diesem Engagement zu beteiligen“ (Lebok/Ginzburg, 2023, 142; nach Frohne, 2020, 29). Dabei dienen die Werte von Diversität und Inklusion zur Positionierung eines Unternehmens, um sich für einen bestimmten Zweck oder für Personen einzusetzen (Lebok/Ginzburg, 2023, 149).
Ob Unternehmen jedoch wirtschaftlich davon profitieren, durch Produkte zur gesellschaftlichen Sensibilisierung aktueller Themen beizutragen, ist zu hinterfragen. Verhaltenswissenschaftlich ist nachgewiesen, dass Menschen als Konsumenten beim Kauf von Produkten eher an sich selbst denken als an soziale Themen (Lebok/Ginzburg, 2023, 154). Vor allem im Handel gibt es deshalb Vorbehalte zu dem Verkauf der diversitätssensiblen Barbies, da die Relevanz inklusiver Barbie-Puppen für den Kinderspielzeugmarkt skeptisch betrachtet wird (Güttel, 2022, Abs.7).
Allerdings spielen Kinder viel von dem nach, was sie im Alltag erleben, sodass Barbies die Vielfalt in der Gesellschaft abbilden sollten, um Kindern eine möglichst realistische Spielwelt zu ermöglichen (Güttel, 2022, Abs.13). Dennoch stellen Barbies ein Zeichen des Marktkonsums in Kindermedien dar, denn die ,,Identifikation mit wechselnden Leitfiguren, Moden und Lebensstilen macht das Leben interessanter.“ (Horn, 2022, 325; nach Retter 2005). Die Entwicklung zu mehr Diversität bei Barbies sichert somit zumindest die Aktualität von Barbies in der heutigen Zeit durch ,,den Reiz des Neuen“ (Horn, 2022, 325; nach Retter 2005).
Weitere Herausforderungen
Letztlich verdeutlicht die Entwicklung der neuen Barbies, dass trotz eines bemerkbaren Trends zu diversitätssensiblem Spielzeug, Diversität in Spielzeugen für Kinder noch immer unterrepräsentiert und nicht fest auf dem Spielzeugmarkt etabliert ist (Güttel, 2022, Abs.4). Allerdings zeigt die neue Entwicklung von Barbies auch, dass die Herausforderungen der aktuellen Zeit auch in Kinderspielzeug thematisiert werden, sodass neben dem Klimawandel und dem Umweltschutz Kinder bereits im frühen Alter auf die Themen Rassismus und soziale Benachteiligungen sensibilisiert werden (Lebok/Ginzburg, 2023, 142; nach Errichiello, 2021).
Mehr Informationen über die Entwicklung von gesellschaftlicher Vielfalt in Spielzeugangeboten und was die Bedeutung von Spielzeug für die Identitätsentwicklung von Kindern bedeutet, stehen in dem IfaK-Beitrag Diversitätssensibles Spielzeug – Normalität oder Nischenprodukt? vom März 2022.
Ein weiterer Kritikpunkt besteht auch in der Orientierung des Unternehmens Mattel an digitalen Medientrends, wie es bei den Made to Move Barbie-Puppen der Fall ist. Die beweglichen Barbies sind von Fitnessentwicklungen über Social-Media inspiriert, bei denen die Barbies besonders viele Aktivitätsmöglichkeiten und eine hohe Beweglichkeit anbieten, um beispielsweise besser Yoga-Posen nachstellen zu können. Forscher*innen haben jedoch festgestellt, dass auch diese Darstellung des Körperbilds wiederum die Gefahr birgt, durch das Widerspiegeln medialer Darstellungen ein sportliches Ideal zu festigen, welches ebenso wie das stereotypische Schlankheitsideal junge Mädchen unter Druck setzt (Webb et al., 2023, 201; nach Mulgrew/Tiggemann, 2016). Dies zeigt, dass nicht nur das äußerliche Erscheinungsbild von Barbies, sondern auch die Körperfunktionalität ein Ideal für junge Mädchen darstellt (Webb et al., 2023, 201).
Kritik zu den Barbies sind auch bezüglich der Herstellungsmaterialien der Plastikpuppen vorhanden. Bis 2030 will das Unternehmen Mattel auf nachhaltige Materialien wie auf wiederverwertbare Kunststoffe bei Barbies und ihren Verpackungen umgestellt haben (Gruber/Baum, 2023, Abs.5). In dem Ifak-Beitrag zu dem Thema Nachhaltiges und sicheres Spielzeug vom Oktober 2023 steht ausführlich, worauf genau beim Kauf von nachhaltigem Spielzeug geachtet werden sollte.
Fazit
Barbies spiegeln inzwischen zeitgenössische gesellschaftliche Themen wider. Bei Barbie-Puppen ist eine verstärkte Entwicklung hin zu mehr Diversität und Inklusion feststellbar. Durch den diversitätssensiblen Wandel verkörpern Barbies nicht mehr nur ein stereotypes Frauenbild, sondern geben auch die gesellschaftliche Vielfalt wieder. Die neue Vielfalt an Barbies repräsentiert auch Minderheiten in der Gesellschaft, wodurch es nun allen Kindern ermöglicht werden soll, sich mit einer Barbie-Puppe zu identifizieren. Doch trotz der diversitätssensiblen Entwicklung bei Barbie-Puppen bleibt das stereotype Erscheinungsbild einer Barbie immer noch in der Gesellschaft präsent.
Quellen und weiterführende Informationen
AFP (2023): Mehr Vielfalt bei Spielsachen: Erste Barbie mit Down-Syndrom. zdfheute. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/barbie-puppe-down-syndrom-mattel-100.html (21.01.2024)
Barbie Webseite. (o. D.): The Dream Gap Projekt Barbie. Mattel. https://shopping.mattel.com/de-de/pages/barbie-dream-gap (21.01.2024)
Götz, M. (2023): Geschlechterbilder im Kinderfernsehen. In: J. Dorer; B. Geiger; B. Hipfl; V. Ratković (Hrsg.): Handbuch Medien und Geschlecht. Wiesbaden: Springer VS, 929–936. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20707-6_55.
Gruber, S.; Baum, V. (2023): Spielzeug-Puppe: Die Barbie-Puppe hat viele Gesichter. Bayern Radio Kinder. https://www.br.de/kinder/barbie-geburtstag-plastikpuppe-spielzeug-klaro-kindernachrichten-106.html (21.01.2024)
Güttel, I. (2022): Vielfalt im Kinderzimmer: Diversity-Spielzeug: Raus aus der Nische?. zdfheute. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/diversity-spielzeug-100.html (14.12.2023)
Harriger, J.A; Schaefer, L.M; Thompson, J.K.; Cao, L. (2019): You can buy a child a curvy Barbie doll, but you can’t make her like it: Young girls’ beliefs about Barbie dolls with diverse shapes and sizes. Body Image, 30, 107–113. https://doi.org/10.1016/j.bodyim.2019.06.005
Horn, A. (2022): Sportphilosophie. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39273-4_8.
Lebok, U.H.; Ginzburg, P. (2023): Against The Mainstream: Diversity-Marketing als Chance für erfolgreiche Markenführung. In: M. Terstiege (Hrsg.): Diversität in Marketing & Sales. Wiesbaden: Springer Gabler, 117–164. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37358-0_8
Presseportal Appinio. (2023): It’s a Barbie World? Neue Studie von Appinio untersucht Kinofilm-Hype, Markenimage und Diversifizierung. https://www.presseportal.de/pm/119258/5560822 (21.01.2024)
Webb, J.B.; Ford, M.N.; Padro M.P. (2023): Fashion versus fitspo: The effect of viewing images of contemporary Barbie® dolls in passive versus active poses on college women’s body image and affect. Body Image, 45, 201–209. https://doi.org/10.1016/j.bodyim.2023.03.004