Ethische Dimensionen im Umgang mit vernetztem Spielzeug (Tagungsbeitrag)
Heimliche Abhörgeräte, ungesicherte Datenübertragung, Identitätsdiebstahl, personalisierte Werbung, Angriffe von Außen. All diese Begriffe sind in Bezug auf vernetztes Spielzeug in den letzten Jahren gefallen. Gleichzeitig wird dieses auf dem Markt immer beliebter und wird zukünftig wohl eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft spielen, weshalb sich Eltern gut über Chancen und Risiken informieren sollten, bevor sie sich für ein solches Geschenk entscheiden.
„Welche besonderen ethischen Herausforderungen stellen sich in Bezug auf vernetztes Spielzeug?“
Mit dieser Frage hat sich Ricarda Moll von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung beschäftigt und diese am 2. Dezember 2020 in einem Vortrag der Tagung IDEepolis 2020 des Instituts für Digitale Ethik (IDE) der Hochschule der Medien unter dem Titel „Daten schützen – Kinder schützen. Datenschutz und Überwachung in Familie und Alltag“ näher erläutert.
Doch was ist überhaupt vernetztes Spielzeug?
Die Abgrenzung von vernetztem Spielzeug zu sozialen Robotern ist schwierig. Die Grenzen verlaufen fließend, doch damit etwas als vernetztes Spielzeug definiert werden kann, sollte Folgendes zutreffen: Das Spielzeug verfügt über Sensoren, wie Mikrofone oder Kameras, es ist „connected“, verfügt also über Funkschnittstellen, die die Übertragung von Daten über Bluetooth oder WLAN ermöglichen und das Spielzeug ist „embodied“, verfügt also über eine physische Form und ähnelt damit herkömmlichem, reellem Spielzeug.
Wodurch ergeben sich Verbraucherschutzfragen und Risiken?
Die Kernpunkte ergeben sich aus folgenden Punkten:
1. Die Zielgruppe
Da es sich bei der Zielgruppe von vernetztem Spielzeug hauptsächlich um Kinder handelt, ist an dieser Stelle deren Rolle in der DSGVO hervorzuheben, denn Kinder verdienen in Bezug auf personenbezogene Daten besonderen Schutz, da sie sich den Risiken und Folgen ihres Handelns weniger bewusst sind als Erwachsene. Da beim Einsatz von vernetztem Spielzeug auch auf personenbezogene Daten zugegriffen wird und diese gegebenenfalls sogar nach Außen übertragen werden, muss die Rolle des Kindes und seiner Daten als besonders Schutzbedürftig immer erwogen werden.
Zwar sind Kinder besonders Schutzbedürftig, aber auch Erwachsene sind sich der Risiken von vernetztem Spielzeug in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten oftmals nicht bewusst.
2. Die Ähnlichkeit zu herkömmlichem Spielzeug
Ein weiteres Risiko des vernetzten Spielzeugs liegt darin, dass dieses oftmals nicht von herkömmlichem Spielzeug zu unterscheiden ist. Das hat zur Folge, dass die Risikowahrnehmung, sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen weiter reduziert wird. Oftmals ist auch nicht direkt ersichtlich, ob ein Spielzeug gerade Daten aufnimmt oder verarbeitet und ob diese Daten auch ausreichend gesichert sind.
3. Der Aufbau einer (Para-)Sozialen Beziehung
Der Begriff „Parasoziale Beziehung“ beschreibt eine imaginäre, einseitige Beziehung, wie Menschen sie beispielsweise aufbauen, wenn sie anfangen sich mit einer Filmfigur zu identifizieren. Die Wahrscheinlichkeit eine parasoziale Beziehung zu Spielzeug aufzubauen, erhöht sich zunehmend, je mehr ein Spielzeug „kann“. Hierdurch entsteht für Kinder quasi eine neue ontologische Kategorie, eine neue Kategorie des „Seins“ neben Lebendigem und nicht Lebendigem.
Die Folge ist, dass Kinder anfangen ihrem Spielzeug mentale, soziale und moralische Eigenschaften zuschreiben.
Auch hier besteht die Gefahr zunächst in einem verringerten Risikobewusstsein, denn Kinder sehen in ihrem Spielzeug plötzlich einen Freund oder eine Vertrauensperson, von der angenommen wird, dass sie beispielsweise Geheimnisse für sich behält. Dadurch vertrauen Kinder ihre Geheimnisse natürlich auch eher ihrem Spielzeug an. Doch was geschieht mit den sensiblen Daten? Sind sie wirklich sicher?
Und wie wirkt sich eine parasoziale Beziehung zu Spielzeug auf das Erlernen von Beziehungsmustern aus? Kinder lernen viel über zwischenmenschliche Beziehungsmuster durch sogenannte „Peer-to-Peer-Beziehungen“, also durch den Umgang innerhalb ihres Freundeskreises und engsten Umfeldes. Spielt vernetztes Spielzeug plötzlich eine große Rolle im Peer-Umfeld eines Kindes, oder ersetzt dieses gar, können Beziehungsmuster auch über dieses an das Kind vermittelt werden. Hier stellt sich nun die Frage, ob es beispielsweise erstrebenswert ist, dass ein Kind durch eine solche Beziehung lernt, dass eine Freundschaft auch funktioniert, wenn es selber nichts in diese investieren muss.
4. Epistemisches Vertrauen
Der Begriff „epistemisches Vertrauen“ beschreibt das Phänomen, dass Personen darauf vertrauen, dass jemand ihnen die Wahrheit sagen kann und will, also das Vertrauen in eine Informationsquelle. Kinder akzeptieren soziale Roboter als vertrauenswürdige Informationsquelle und vertrauen Informationen mehr, wenn sie von einem sozialen Roboter kommen, als von einer unanimierten Maschine. Als Folge hieraus kann sich ergeben, dass Kinder eher den Roboter als ihre Eltern fragen, da der Roboter durch sein Verhalten impliziert, alles zu wissen, oder auch weil er als Roboter über bestimmte Dinge mehr zu wissen scheint als erwachsene Bezugspersonen, was zu einer falschen Meinungsbildung führen kann. Hat ein Kind beispielsweise eine technische Frage, könnte es zu dem Schluss kommen, dass der Roboter diese besser beantworten kann, da er sich als “technisches Wesen“ mit technischen Fragen besser auskennt.
Das große Risiko hierbei ist das Manipulationspotential, das mit dem eines Influencers zu vergleichen ist: Auch hier können auf Grundlage einer parasozialen Beziehung und eines epistemischen Vertrauens gezielt Werbung platziert oder auch Meinungen geformt werden.
Außerdem stellt sich an dieser Stelle die Frage, was passiert, wenn sich die epistemischen Zuständigkeiten innerhalb der Familie zugunsten von vernetztem Spielzeug verschieben.
Zwar ist von den oben genannten Punkten nur der der parasozialen Beziehung spezifisch für die Produktgruppe des vernetzten Spielzeugs, während die restlichen Punkte auch in anderen Produktgruppen auftreten können, dennoch ist es wichtig, sich dem Risikopotential von vernetztem Spielzeug bewusst zu sein.
Als Fazit lässt sich sagen, dass sich ethische Herausforderungen vor Allem durch den Aspekt der (para-)sozialen Beziehung ergeben. Diese bilden die Einordnungsgrundlage für bekannte Risikoszenarien, beispielsweise von personalisierter Werbung, nicht ausreichend gesicherter Daten oder schlimmstenfalls auch von physischen Bedrohungen, sollte ein solches Spielzeug zum Beispiel manipuliert werden und das Kind bitten, jemandem die Haustür zu öffnen.
Dennoch ist natürlich auch nicht außer acht zu lassen, dass vernetztes Spielzeug trotz aller Gefahren auch zahllose Chancen und Möglichkeiten bietet und zwar mit Vorsicht zu genießen ist, aber auch nicht verteufelt werden sollte, da es durchaus auch sichere Varianten auf dem Markt gibt.
Zusatzmaterial zum Beitrag
Quellenangaben und weiterführende Informationen:
Klicksafe (o.J.): Vernetztes Spielzeug.
URL: https://www.klicksafe.de/eltern/kinder-von-3-bis-10-jahren/vernetztes-spielzeug/ (22.12.2020)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (29.08.2018): (K)ein Kinderspiel?! Vernetztes Spielzeug birgt Risiken.
URL: https://www.vzbv.de/pressemitteilung/kein-kinderspiel-vernetztes-spielzeug-birgt-risiken (22.12.2020)
Verbraucherzentrale (2018, August): Vernetztes Kinderspielzeug – Datenrisiko in Kinderhand?
URL:https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/01/29/bericht_vernetztes_spielzeug.pdf (22.12.2020)
Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (2018, Jannuar): Studie: Internet of Toys.
URL:https://www.saferinternet.at/fileadmin/redakteure/Footer/Studien/IOT_Studienbericht_Final.pdf (22.12.2020)
Bildquellen:
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