Die Auswirkungen der Schulschließungen während der Corona-Pandemie auf Kinder
Als während des Lockdowns 2020 aufgrund der Corona-Pandemie die Schulen geschlossen werden mussten, hatte dies sowohl für die Eltern, als auch für die Kinder große Folgen. Die Psyche der Kinder, ebenso wie auch die schulischen Leistungen, litten unter der digitalen Lehre. Ebenso wurden auch insbesondere in dieser Zeit die Unterschiede zwischen Kindern aus akademischen Familien und Kindern aus sozial benachteiligten Familien oder Familien mit Migrationshintergrund noch größer und deutlicher.
Die Auswirkungen der Schulschließungen während der Corona-Pandemie auf Kinder
Die Pandemie hatte viele Auswirkungen in den verschiedensten Bereichen des Lebens: Soziale Kontakte wurden eingeschränkt, Home Office und Kurzarbeit waren verstärkt vertreten und Ängste und Sorgen waren allgegenwärtig. Doch auch Kinder waren stark betroffen: Durch die Schließungen von KiTas und Schulen in 126 Ländern (Schlack et al., 2020) wurden nicht nur die sozialen Fähigkeiten, sondern auch schulische Leistungen beeinflusst.
Die psychischen Auswirkungen auf Kinder während der Schulschließungen
Dass die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Schulschließungen psychische Folgen für Kinder jeglichen Alters haben, ist unumstritten: Im Rahmen der COPSY-Studie, die im Mai und Juni 2020 1.040 Kinder und Jugendliche befragte, gaben 40,2% der 11- bis 17-jährigen an, dass ihre Lebensqualität seit Beginn der Pandemie gesunken war (Schlack et al., 2020). Bei 31% der 7- bis 17-jährigen gab es zudem psychische Auffälligkeiten und ganze 18% gaben an, sich oft Sorgen bezüglich der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu machen (Schlack et al., 2020). Auch bei einer Studie der DAK-Gesundheit gaben 31% der befragten Kinder an, während des Lockdowns häufig Stress zu haben (Schlack et al., 2020).
Allerdings gab es durch die Schulschließungen auch familiäre Belastungen: Die Kinder konnten nicht mehr den Tag über in die KiTa oder Schule und mussten häufig zuhause betreut werden. Dazu kam, dass gleichzeitig auch viele Eltern im Home Office arbeiteten – das führte dazu, dass die bisherige Tagesroutine ein Stück weit aufgegeben werden musste und es kam durch diese Herausforderung schneller zu Spannungen im familiären Umfeld (Schlack et al., 2020). Hinzu kam, dass ältere Verwandte, wie beispielsweise Großeltern, als Betreuungsmöglichkeit für die Kinder wegfielen, da diese zur Risikogruppe des Corona-Virus gehörten (Schlack et al., 2020).
Allerdings stellte nicht nur das Lernen während der Schulschließungen eine Belastung für die Kinder dar, sondern auch die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts unter den Corona-Maßnahmen (Langmeyer et al., 2020). Dies lag laut Langmeyer et al. (2020) daran, dass die wieder steigenden Erwartungen und Forderungen die während der Pandemie bei den Kindern gesunkene Motivation noch deutlicher machten. Es gab wieder mehr Verpflichtungen und zeitliche Vorgaben, die eingehalten werden mussten, und die Umstellung dorthin zurück war für Kinder und Eltern ebenfalls eine Herausforderung (Langmeyer et al., 2020).
Die Auswirkungen auf schulische Leistungen
Es gab während der Schulschließungen allerdings nicht nur psychische Auswirkungen, sondern auch Folgen für die schulischen Leistungen der Kinder. Die COPSY-Studie zeigte, dass etwa zwei Drittel der befragten Kinder das Lernen während des Lockdowns anstrengender empfanden als zuvor (Schlack et al., 2020). Hierbei war auch von Bedeutung, wie stark intrinsische Motivation bei den Schüler*innen vorhanden war: Diejenigen, bei welchen dies mehr der Fall war, konnten mit dem digitalen Lernen besser zurechtkommen und mussten weniger Hilfe durch Erwachsene in Anspruch nehmen als weniger intrinsisch motivierte Kinder (Hasselhorn/Gogolin, 2021). Daten des Sozioökonomischen Panels, die zwischen 2015 und 2018 erhoben wurden, belegen außerdem, dass es auch Unterschiede je nach Leistungsstärke der Kinder gibt: Von den leistungsstärkeren Schüler*innen geben lediglich 4% an, nicht gerne zur Schule zu gehen, bei den Leistungsschwächeren sind es bereits 14% (Huebener/Schmitz, 2020). Auch während der Corona-Pandemie zeigte sich dies: Generell brachten Kinder weniger als die Hälfte der Zeit für die Schule auf, als sie es vor den Schulschließungen getan haben: Von 7,4 Stunden vor dem Lockdown zu durchschnittlich 3,6 Stunden während des Lockdowns (Anger/Plünnecke, 2020). Allerdings war diese Reduzierung der Zeit für schulische Aktivitäten besonders auffällig bei leistungsschwächeren Schulkindern und denjenigen, die eher schlechte Notenergebnisse erzielten (Anger/Plünnecke, 2020).
Beim Thema Lernlücken nach den Schulschließungen gibt es laut Helbig (2021) Unterschiede je nach Klassenstufe, Lehrstoff, Lehrkraft, Fächern, Familiensprache, regionalen Unterschieden und Medienkompetenz. So gab es beispielsweise weniger große Wissenslücken in höheren Klassenstufen, sowie in Fächern wie Deutsch oder Mathe, und größere bei niedrigeren Klassenstufen und kleineren Fächern – aber auch bei elementarem Lernstoff wie beispielsweise dem Schreibenlernen. Auch kam es darauf an, wie viele Schließungen es aufgrund der jeweiligen Lokal-Inzidenzen gab, wie viel bzw. gut die deutsche Sprache in den Familien der Kinder gesprochen wurde und wie gut die jeweilige Lehrkraft mit dem Digitalunterricht zurechtkam (Helbig, 2021).
Ebenfalls sehr wichtig waren vorhandene Medienkompetenzen, sowohl von Seiten der Schulkinder und Eltern, als auch der Lehrkräfte, sowie vorhandene technische Ausstattung und digitale Vernetzung der jeweiligen Schulen. Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study (ICILS) im Jahr 2018 zeigten, dass ebendiese Ausstattung an deutschen Schulen im internationalen Vergleich ganz klar schlechter abschnitt als der Durchschnitt (Anger/Plünnecke, 2020). Die ICILS hat 2013 ebenfalls die Medienkompetenzen von Schulkindern geprüft und die Ergebnisse zeigten, dass ein Drittel der Befragten nicht zureichende Kompetenzen in diesem Bereich aufweisen konnte, 2018 wurde diese Studie wiederholt und die Ergebnisse waren beinah genau gleich (Van Ackeren et al., 2020). Eben diese Kompetenzen im digitalen Bereich waren zur Zeit der Schulschließungen allerdings von besonders hoher Bedeutung, auch da der Kontakt zwischen Schulkindern, sowohl im Grundschul- als auch Sekundarstufenalter, und Lehrkräften, meist über E-Mail stattfand, auch Aufgaben wurden häufig über dieses Kontaktmedium verschickt (Langmeyer et al., 2020).
Die Unterschiede zwischen Kindern aus benachteiligten und privilegierten Familien
Die Unterschiede zwischen Kindern aus privilegierten Familien im Vergleich zu Kindern aus benachteiligten Familien sind im Bildungswesen ohnehin nachweisbar. Doch die Pandemie und die damit einhergehenden Schulschließungen haben diese Ungleichheiten noch weiter verstärkt (Helbig, 2021). Zudem ist es nachgewiesen, dass längere Phasen, in welchen keine Schule stattfindet, dazu führen, dass Schulkinder Rückschritte im Kompetenzerwerb machen und auch dies betrifft vorrangig Kinder aus benachteiligten Familien (Van Ackeren et al., 2020).
So wird beispielsweise auch der „Digital Gap“ verstärkt: Von dem vorher genannten Drittel der Schüler*innen, die laut der ICILS im Jahr 2013 und 2018 keine zureichenden Medienkompetenzen vorweisen konnten, kam der Großteil aus sozial benachteiligten Familien. Dadurch ist es für diese Kinder umso schwerer, an beispielsweise Schulaufgaben während des digitalen Lernens heranzukommen. (Van Ackeren et al., 2020). Zudem verfügen zwar nur weniger als 2% der leistungsstärkeren Kinder über keinen Internetzugang, jedoch gilt dies schon für 6% der leistungsschwächeren (Huebener/Schmitz, 2020).
Eltern von Schulkindern, die selbst einen niedrigeren Bildungsabschluss haben, gaben bei einer Befragung des Sozioökonomischen Panels an, im Vergleich zu Eltern mit höherem Bildungsabschluss besonders hohe Belastungen während der Pandemie zu spüren (Hasselhorn/Gogolin, 2021). Zudem hat der Bildungsgrad der Eltern auch Einfluss auf die Leistung ihrer Kinder: So haben beispielsweise 35% der Mütter von leistungsstarken Kindern einen akademischen Abschluss, bei den Müttern der leistungsschwächeren sind es lediglich 13% (Huebener/Schmitz, 2020). Anger und Plünnecke (2020) zeigen ebenfalls auf, dass Eltern mit akademischem Bildungsgrad mehr Zeit aufbringen, um ihre Kinder im schulischen Kontext zu unterstützen. Zudem gibt es in Haushalten, die keine höheren Bildungsabschlüsse aufweisen können, häufiger keinen eigenen Computer, sowie keinen eigenen bzw. ruhigen Arbeitsplatz für die Kinder, als in akademischen Haushalten (Anger/Plünnecke, 2020). Dadurch wird erneut der „Digital Gap“ verstärkt, welcher besonders zu Zeiten der Schulschließungen fatal war (s.o.).
Auch ob eine Familie Migrationshintergrund hat, hat Einfluss: Denn diese Haushalte haben besonders häufig nur eingeschränkte digitale Möglichkeiten, sowie angemessene Arbeitsumgebung für die Kinder zuhause, was beides während der Corona-Pandemie besonders wichtig war (Schlack et al., 2020). Hinzu kommt, dass mögliche Sprachbarrieren, die in Familien mit Migrationshintergrund herrschen können, das Lernen sowie das Unterstützen der Kinder deutlich erschweren (Schlack et al., 2020). Dies ist besonders dadurch bedingt, da diese Kinder häufig von Ganztagesangeboten und Sprachförderungen in KiTas und Schulen profitieren und teils darauf angewiesen sind. Fallen diese Angebote nun aber weg und werden die Schulen zusätzlich geschlossen, besteht eine große Gefahr, dass diese Schüler*innen im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund besonders große Probleme mit dem Lernstoff haben werden (Anger/Plünnecke, 2020).
Aber auch sozial benachteiligte Familien haben oft Probleme, eine ausreichend große Wohnung zu finanzieren, was wiederum ein Auslöser dafür sein kann, dass Kinder aus diesen Verhältnissen beim eigenständigen Lernen zuhause während der Schulschließungen Nachteile haben (Schlack et al., 2020).
Quellen und weiterführende Informationen
Anger, C. & Plünnecke, A. (2020): Schulische Bildung zu Zeiten der Corona-Krise. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 21(4), 353–360. https://doi.org/10.1515/pwp-2020-0055
Hasselhorn, M. & Gogolin, I. (2021): Editorial: Bildung in Corona-Zeiten. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 24(2), 233–236. https://doi.org/10.1007/s11618-021-01019-2
Helbig, Marcel (2021): Als hätte es Corona nicht gegeben: Bildungspolitische Reaktionen auf Schulschließung und Distanzunterricht, WZBrief Bildung, No. 43. https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:101:1-2021042313403202068854
Huebener, Mathias; Schmitz, Laura (2020): Corona-Schulschließungen: Verlieren leistungsschwächere SchülerInnen den Anschluss?, DIW aktuell, No. 30.
Langmeyer, A., Guglhör-Rudan, A., Naab, T., Urlen, M. & Winklhofer, U. (2020): Kind sein in Zeiten von Corona. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/dasdji/themen/Familie/DJI_Kindsein_Corona_Erste_Ergebnisse.pdf . (08.07.2024)
Schlack, R., Neuperdt, L., Hölling, H., De Bock, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E., Wachtler, B. & Beyer, A. (2020): Auswirkungen des COVID-19-Pandemiegeschehens und behördlicher Infektionsschutzmaßnahmen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Journal Of Health Monitoring, 4, 23–34. https://doi.org/10.25646/7173
Van Ackeren, I., Endberg, M. & Locker-Grütjen, O. (2020): Chancenausgleich in der Corona-Krise: Die soziale Bildungsschere wieder schließen. DDS – Die Deutsche Schule, 112(2), 245–248. https://doi.org/10.31244/dds.2020.02.10