Good-Practice-Beispiel: Tabletklassen am Gymnasium Harsewinkel
Die Corona-Pandemie zeigt momentan einmal mehr, wie es um die Digitalisierung der Schulen in Deutschland bestellt ist. Und doch zeigen sich auch andere Trends: Immer mehr Lehrer*innen würden gerne Tablets im Unterricht einsetzen. Und wo es in Schulen bereits zu einem solchen Einsatz kommt, zeigt sich eine breite positive Resonanz. Dennoch bleiben bei Interessierten oft noch viele Fragen offen: Wie gehe ich das Projekt „Tabletklasse“ am besten an? Lohnt sich diese Investition? Was muss ich beachten? Um mit diesen Fragen nicht von Null starten zu müssen, soll in diesem Beitrag ein Beispiel aus der Praxis vorgestellt werden, das diesen Weg bereits geht: Das Gymnasium Harsewinkel setzt im Rahmen seines Digitalisierungsprozesses seit dem Schuljahr 2018/2019 iPads in allen Klassen ab dem siebten Jahrgang ein.
Steckbrief
<zInstitution | Gymnasium Harsewinkel in Nordrhein-Westfalen (https://www.gymnasium-harsewinkel.de/) |
Projekt | Einsatz von Tablets im Unterricht durch so genannte „Tabletklassen“ |
Zielgruppe | Schüler*innen ab der siebten Klasse |
Ziele | Verbesserung der Medienkompetenz, Erhöhung der Methodenvielfalt, Steigerung der Motivation, Verbesserung der Ausstattung der Schule |
Tablets in der Schule
Das Thema „Tablets in der Schule“ ist kein unumstrittenes Thema. Die Einführung von Bildungstechnologien im Unterricht wird zum Beispiel auch im Zusammenhang mit den PISA-Studien immer wieder kritisiert. Und doch zeigt sich ein klarer Trend hin zur erweiterten Mediennutzung im Unterricht, wenn auch konkrete Zahlen aufgrund der Datenlage in den deutschen Schulen kaum genannt werden können. Mit der wachsenden Tabletnutzung im Unterricht steigt auch die Zahl der wissenschaftlichen Studien, die dieses Phänomen untersuchen. Und diese zeigen: Tablets in der Schule verbessern zwar nicht zwangsläufig die Noten, können aber die insgesamte Lernkultur positiv beeinflussen, Motivation und Aufmerksamkeit erhöhen und das selbständige Lernen fördern.
Projektziele und medienpädagogischer Hintergrund
Das Projekt „Tabletklassen“ am Gymnasium Harsewinkel wird von einem pädagogischen Rahmen gestützt, der den Umgang für alle beteiligten Akteur*innen transparent festhalten soll. Basis sind dabei die „10 Gebote der Digitalen Ethik“, die am Institut für Digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart entwickelt wurden und einen guten Umgang im Netz fördern sollen.
Fünf Projektziele stehen dabei im Vordergrund, die durch die Einrichtung der Tabletklassen erreicht werden sollen:
Medienkompetenz ist ein wichtiger Soft Skill des 21. Jahrhunderts. Diese lernt man aber nicht aus Büchern, sondern am nachhaltigsten in der tatsächlichen Interaktion und Anwendung in einem geschützten Rahmen wie dem Unterricht. Die Schüler*innen sollen lernen, Medien kritisch zu hinterfragen und zielgerichtet einsetzen zu können.
Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht ist ein allgemeiner Trend in der Bildungslandschaft – den viele Schulen aufgrund mangelnder räumlicher Kapazitäten oder fehlender Ressourcen allerdings nicht erfüllen können. Das Gymnasium Harsewinkel möchte die mediale Ausstattung der Schule auf diesem Weg verbessern.
Unterricht lebt von Methodenvielfalt. Der Einsatz von Tablets bietet die Möglichkeit, diese um ein Vielfaches zu erhöhen: Recherche, Produktion, Ergebnispräsentation in Text, Bild, Video oder Ton kann ohne Mehraufwand in den Unterricht eingebunden werden. Diese vielfältige Gestaltung spricht verschiedene Sinne der Schüler*innen an und bietet Angebote für fast jeden Lernstil.
Tablets bieten zwar viele Möglichkeiten im Unterricht, bleiben aber immer nur ein Hilfsmittel für den Lernprozess selbst – der Tabletnutzung liegt also immer ein pädagogischer Rahmen zugrunde. In diesem geschützten Raum sollen die Schüler*innen ihren eigenen, selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien lernen.
Digitale Medien vervielfältigen die Arten des Lernens: Es kann experimentiert, analysiert, produziert oder geforscht werden – jede*r Schüler*in in seinem Tempo. Dies schafft hohe Anreize und kann die Motivation der Schüler*innen verbessern.
Die Umsetzung
Die Vorbereitung
Von der ersten Projektskizze bis zur tatsächlichen Einführung der Tablets in den Klassen vergingen am Gymnasium Harsewinkel zwei Jahre. Zwei Jahre, in denen die Lehrkräfte im Umgang mit Tablets im Unterricht geschult wurden, Konzepte für den Einsatz im Unterricht erstellt wurden und eine praktische Einarbeitung in die Geräte erfolgte. Aber nicht nur die Lehrer*innen mussten geschult, auch das Schulgebäude musste vorbereitet werden und wurde mit einem leistungsfähigen WLAN versehen genauso wie alle Klassen- und Fachräume mit Beamer und Tonanlage ausgestattet wurden, mithilfe derer Präsentation über die iPads möglich sind. Ein schuleigener Server (IServ) gewährleistet einen unkomplizierten Datenaustausch
Die Technik
Seit dem Schuljahr 2018/2019 wird am Gymnasium Harsewinkel jede*r Schüler*in der siebten Klassenstufe mit einem individuellen iPad ausgestattet, das auch nach dem Unterricht für schulische oder private Zwecke genutzt werden kann. Das iPad hat sich am Gymnasium Harsewinkel aus verschiedenen Gründen gegen andere mobile Endgeräte durchgesetzt: Ein entsprechendes Gerät sollte mobil und leicht sein, ausreichend groß für die Abbildung von DIN A4-Seiten, es sollte robust und schnell einsatzbereit sein und eine ausreichende Akkuleistung besitzen. Ausschlaggebend war für eine unkomplizierte Handhabung über Jahrgangsstufen hinweg auch, dass über eine Zeitspanne von vier bis fünf Jahren mit dem gleichen Betriebssystem gearbeitet werden kann. All diese Aspekte deuteten letztendlich auf das iPad als Tool der Wahl hin. Aus Kompatibilitätsgründen und zur Vermeidung von Stigmatisierung wird auch nicht auf die Methode des „Bring your own Device“ zurückgegriffen, sondern pro Schüler*in eine Neuanschaffung verfolgt. Neben der Anschaffung des Tablets selbst kommt noch ein aktiver Stift und eine Schutzhülle hinzu.
Die Finanzierung
Die Anschaffung der iPads für jede*n Schüler*in ist am Gymnasium Harsewinkel elternfinanziert. Da der Einsatz von Tablets als Unterrichtstool nur dann sinnvoll ist, wenn alle Schüler*innen über die gleichen Voraussetzungen verfügen, sollte dem von Elternseite auch nachgekommen werden. Die Finanzierung kann als Einmalzahlung oder Ratenzahlung durchgeführt werden. Dennoch gibt es auch bei finanziellen Engpässen andere Möglichkeiten der Finanzierung: Empfänger*innen von ALG II können eine Finanzierung über das Arbeitsamt in Anspruch nehmen; bei anderen finanziellen Schwierigkeiten kann der Förderverein der Schule über einen Sozialfonds aushelfen.
Einsatz der Tablets
Der Einsatz der Tablets beschränkt sich nicht auf bestimmte Bereiche, sondern findet im gesamten Schulleben Anwendung. Je nach Fach können die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlich aussehen: Im Sportunterricht können Bewegungsabläufe analysiert, in Mathe der Taschenrechner ersetzt oder im naturwissenschaftlichen Unterricht Daten verarbeitet werden. Natürlich gilt aber weiterhin: Eingesetzt wird nur, was pädagogisch und fachlich sinnvoll ist. Das handschriftliche Schreiben wird weiterhin ein wichtiger Bestandteil bleiben und durch digitale Bausteine ergänzt werden.
Umgang mit den Tablets
Die Nutzung der Tablets erfolgt natürlich nicht unreflektiert, dementsprechend hat das Gymnasium Harsewinkel bestimmte Regeln für den Umgang mit den iPads aufgestellt sowie Aufgaben der drei wichtigsten Akteure – Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern – benannt. So sind die Pausen in der Schule grundsätzlich frei von Tablets, Kommunikation erfolgt auch digital nie anonym. Während der Schulzeiten können die Lehrkräfte die Nutzung der Tablets durch eine Steuerungssoftware einschränken. Die Schüler*innen verpflichten sich beispielsweise, dass die Tablets jederzeit mit geladenem Akku in die Schule mitgebracht werden. Die Lehrer*innen stellen sicher, dass keine Persönlichkeitsrechte der Schüler*innen verletzt werden. Zu den Aufgaben der Eltern gehört es, für eine bewusste Mediennutzung in der Freizeit der Schüler*innen zu sorgen.
Tipps
Tabletklassen können ganz unterschiedlich gestaltet sein – das hier vorgestellt Beispiel anhand des Gymnasiums Harsewinkel stellt eine Möglichkeit dar, ist aber nicht die Einzige. Bevor Sie in die nähere Planung und gar Anschaffung gehen, sollten Sie sich über folgende Fragen Gedanken machen:
- Inwiefern passt der Einsatz von Tablets in Ihren Medienentwicklungsplan?
- In welchen Fächern und auf welche Weise sollen die Tablets in den Unterricht eingebunden werden?
- Auf welche Weise möchten Sie die Finanzierung der mobilen Endgeräte bewerkstelligen?
- Welche Geräte möchten Sie verwenden?
- Auf welche Weise sollen die Schüler*innen Zugang zu den Geräten bekommen (individuelles Gerät für jede*n Schüler*in, Leihgeräte, Bring your own Device, …)
- Wie soll der Umgang mit den Tablets innerhalb der Schulgemeinschaft geregelt werden?
Zusätzliches Material
Quellen und weiterführende Informationen:
Aufenanger, Stefan (2017): Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht aus nationaler und internationaler Sicht, in: Aufenanger, Stefan & Bastian, Jasmin (Hrsg.): Tablets in Schule und Unterricht. Forschungsmethoden und -perspektiven zum Einsatz digitaler Medien, S. 119-138.
Aufenanger, Stefan & Bastian, Jasmin (2017): Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir?, in: Aufenanger, Stefan & Bastian, Jasmin (Hrsg.): Tablets in Schule und Unterricht. Forschungsmethoden und -perspektiven zum Einsatz digitaler Medien, S. 1-11.
Grimm, Petra (2020, 22. Juli): Neuauflage der „10 Gebote der Digitalen Ethik“. URL: https://www.hdm-stuttgart.de/view_news?ident=news20200707123033 (18.11.2020)
Gymnasium Harsewinkel (o.J.): 7te Klassen. URL: https://www.gymnasium-harsewinkel.de/wp-content/uploads/2020/05/Flyer_Klasse7_Digi-1.pdf (18.11.2020)
Bildquellen
Vorschaubild: Arthur Lambilotte. (09.11.2020). URL: https://unsplash.com/photos/1382ByZsCtU
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