Die Geschichte des Adventskalenders in Deutschland
Adventskalender sind für viele aus der heutigen Vorweihnachtszeit nicht mehr wegzudenken und begleiten die Vorfreude und Spannung von Kindern. Durch die Veranschaulichung der übrigen Tage bis Weihnachten, wie auch durch eine tägliche süße Überraschung, wird die Wartezeit für viele erträglicher. Die Adventskalender sind in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden und haben einiges miterlebt. Ebenso haben sie verschiedene Umwandlungen durchlebt, bis sie zum wichtigen Bestandteil von Haushalten auf der ganzen Welt wurden. Das Archiv der Kindermedienwelten bietet einige sehr spannende Exponate, die die Geschichte der Adventskalender und die Geschichte um diese festhalten.
Die Anfänge des Adventskalenders
Bevor es die ersten gedruckten und befüllten Adventskalender gab, wie wir sie heute kennen und nutzen, gab es Adventskalender in den verschiedensten Formen. Der Adventskalender hatte dabei schon immer die Aufgabe, in erster Linie Kindern zu zeigen, wie viele Tage sie noch bis Weihnachten warten müssen. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Weihnachten zunehmend nicht nur von religiöser Vorfreude geprägt, sondern ebenso durch die Vorfreude auf die Bescherung. Infolgedessen war die Spannung und Ungeduld unter den Kindern groß. Im 19. Jahrhundert hatten Eltern mittels Strichkalendern ihren Kindern zeigen wollen, wie viele Tage sie noch warten müssen. Dafür wurden ganz simpel Kreidestriche an Schranktüren gemalt, die täglich durchgestrichen oder weggewischt wurden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Uhr als Visualisierung der Zeit ein naheliegendes Konzept gewesen. Diese sogenannten Weihnachts- oder Adventsuhren waren vor 1900 in Gebrauch, bis dann 1902 die erste farbig gedruckte Weihnachtsuhr für Kinder herauskam. Diese Uhren waren meist, gemäß den Stunden, in zwölf Felder unterteilt und beinhalteten jeweils Weihnachtsliedstrophen oder Advents Verheißungen.
Erst nach 1900 verbreitete sich der gedruckte Adventskalender, welcher eng mit weiteren häuslichen Adventsbräuchen entwickelt wurde, wie dem Adventskranz oder dem Adventsbaum. Der Begriff Adventskalender wurde anscheinend das erste Mal 1904 vom Berliner Frauenverein Edelweiß verwendet, welcher 1903 einen Klappkalender mit Adventssprüchen und einem gestalteten Deckblatt herausgab.
Der Erfinder des Adventskalenders
Als Erfinder des Adventskalenders sah sich Gerhard Lang (1881-1974), der sich nach einer Buchhändlerlehre 1902 in München niederließ. Im darauffolgenden Jahr brachte er seinen ersten als Weihnachtskalender bezeichneten Kalender Im Lande des Christkinds heraus. Dieser lithografische Druck hatte 24 Felder mit Versen, worauf jeden Tag ein Ausschneidebild geklebt werden konnte. Es erschien erst im Verlag des Lithografen Friedrich Reichhold und im Jahr darauf dann als Beilage der Zeitung Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg. So wurde der Adventskalender als Werbegeschenk geboren.
Lang schloss sich mit dem Verleger Reichhold zusammen und gründete mit ihm gemeinsam den Verlag Reichhold & Lang, Lithographische Kunstanstalt GmbH, München. Die Münchener Adventskalender gehörten fest zum Verlagsprofil und Im Lande des Christkinds wurde so beliebt, dass weitere Auflagen folgten. Bis zur Auflösung des Verlages im Jahre 1940 wurden acht verschiedene Ausgaben des Adventskalenders herausgegeben und verkauft. Diese waren sehr aufwendig und liebevoll gestaltet. Es gab Laternen mit Türchen, die herausgebrochen werden konnten, Kulissen mit Figuren zum Schieben oder Abreißblöcke, deren Bilder in Hefte eingeklebt werden konnten und insgesamt eine Geschichte illustrierten. 1920 brachte Dora Baum im Reichhold & Lang Verlag Christkindleins Haus heraus, der erste Adventskalender nach dem heutigen Prinzip, in dem täglich ein Türchen zu öffnen war. Diese Art von Kalender war in der Produktion einfacher und billiger und verdrängte allmählich die anderen Kalendervarianten.
Dem Erfolg vom Reichhold & Lang Verlag schlossen sich schnell andere Verlage an und brachten ihre eigenen Adventskalender heraus. Zwar ging die Nachfrage während des Ersten Weltkriegs stark zurück, wuchs jedoch nach dem Krieg umso stärker. Der Verlag hatte allerdings Schwierigkeiten mit der Konkurrenz mitzuhalten, da einerseits ihre aufwendigen Kalender entsprechend teurer waren und sie ihre Türchenadventskalender nicht hatten patentieren lassen. Aus diesem Grund musste der Verlag im Jahr 1940 aufgelöst werden.
Der Adventskalender in der NS-Zeit
Der Adventskalender erlebte in den goldenen 20er seine eigene Blütezeit und die religiösen Adventskalender wurden von den Profanen überholt, sodass in den 1930er-Jahren der Adventskalender bereits in weiten Teilen Deutschlands verbreitet war. Jedoch ging die NS-Zeit nicht spurlos am Adventskalender vorbei. Die ursprünglichen weihnachtlichen Motive auf den Kalendern wurden von salutierenden Soldaten und Hitlerjungen ersetzt. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die Adventskalender ebenso stark reglementiert. Da Papier stark begrenzt war, wurde ausschließlich holzhaltiges Papier für die Kalender verwendet, sowie maximale Maße und Papiergewicht festgelegt. Dies erfolgte, bis Anfang der 1940er-Jahre der Druck von Bildkalendern als kriegsunwichtig vollständig eingestellt wurde.
1941 brachten die NSDAP ihren eigenen, nationalsozialistischen Adventskalender heraus. Bei diesem wurden christliche Sinnbilder umgewandelt, so wurde aus dem Adventskranz der Sonnenwendkranz und aus dem Christkind das Lichtkind. In der nationalsozialistischen Weihnachtsgestaltung wurde nicht Weihnachten, sondern die Wintersonnenwende betont. Des Weiteren wurden alle christlichen Gebete und Sprüche überarbeitet. In kleinen Details der verschiedenen Auflagen des Kalenders konnte der Einfluss des Krieges auf das Land erkennbar gemacht werden. So sind zum Beispiel ab 1943 alle Backrezepte des Kalenders ohne Fett und Eier. Der Adventskalender sollte wohl ebenfalls die Verbindung von Kindern zu den Soldaten stärken, denn fast jede Seite nahm darauf Bezug. Dieser Kalender wurde später in der BRD entnazifiziert und noch drei mal herausgegeben (1968, 1973 und 1982).
Nach dem Krieg war die Sehnsucht nach einer heilen Weihnacht groß, sodass 1945 erneut Adventskalender von verschiedenen Verlagen erschienen. Diese waren von der Art und den Motiven kaum von den Kalendern von vor dem Weltkrieg zu unterscheiden, waren jedoch in Druck- und Papierqualität schlechter.
Diese Schallplatte beinhaltet das Lied Stille Nacht, Heilige Nacht und fungiert gleichzeitig als Adventskalender. Jedes Kind ist gleichzeitig eine klappbare Tür mit Bild dahinter.
Der Adventskalender in der BRD und DDR
In der Zeit der unterschiedlichen Besatzungszonen entwickelten sich Adventskalender etwas unterschiedlich voneinander.
In der BRD
Einer der ersten Verlage der BRD, welcher Adventskalender herausbrachte, war der Richard Sellmer Verlag in Stuttgart. Der von Elisabeth Lörcher entworfene Stellkalender Die kleine Stadt wurde 1946 auf der Messe in Frankfurt a.M. vorgestellt und Sellmer suchte dabei insbesondere den Kontakt zu amerikanischen Kunden. Er hatte von Anfang an die Idee, seine Kalender auf den internationalen Markt zu bringen und druckte sie deshalb auf Englisch und Schwedisch. Die in Deutschland stationierten Soldaten waren dabei nicht unbedeutend für die weitere Verbreitung des Kalenders. So kam der erste Großauftrag an Sellmer 1953 von einer amerikanischen Hilfsorganisation für Epileptiker, die 50.000 Adventskalender bestellte. Im Dezember des gleichen Jahres erschien ein Foto der Enkel des US-Präsidenten Eisenhower mit dem Adventskalender Die kleine Stadt und katapultierte die Nachfrage nach diesen. Der Richard Sellmer Verlag besteht heute noch und ist der einzige Verlag, der einzig auf Adventskalender spezialisiert ist.
Andere Verlage brachten unmittelbar nach dem Krieg ebenfalls Adventskalender heraus. So arbeitet Alber Korsch des Korsch Verlags (München) für seine Adventskalender sogar über Zonengrenzen hinweg. Kurt Brandes und Fritz Baumgarten lebten beide in der DDR und erstellten Entwürfe für Kalender. Baumgarten hat für den Versand seiner Entwürfe den regulären Postweg genutzt und tarnte diese als für seine Nichten und Neffen gedachtem Bilder. Der Korsch Verlag bot neben eigenen Designs, Motive mit bekannten Figuren an, für welche Lizenzen erworben werden, darunter der kleine Eisbär oder der kleine Maulwurf. Der Verlag zählt noch heute zu den führenden Herstellern von Adventskalendern in Deutschland.
Der fröhliche Adventskalender beinhaltet Weihnachtsgeschichten mit musikalischer Untermalung des Hamburger Kinderchores. In das Cover der Schallplatte ist ein Adventskalender integriert.
In der DDR
Ebenso gab es in der DDR ab 1945 erneut Adventskalender. Hier konnten sogar dank vorhandener Papierreserven die Druckqualität der Kalender annähernd beibehalten werden. Es gab verschiedene Verlage in Dresden, Leipzig, Halle (Saale) oder Chemnitz, welche Adventskalender herausbrachten.Messen waren wichtige Schnittstellen im Adventskalendergeschäft, in der DDR war das die Leipziger Messe. Auf dieser nahmen zum einen Künstler und Verlage Kontakt miteinander auf, zum anderen wurden auf der Herbstmesse die fertigen Adventskalender den Großhändlern präsentiert und Exporte, insbesondere ins westliche Ausland, ausgehandelt. Die Adventskalender selbst unterschieden sich zwar in den ersten Nachkriegsjahren wenig von denen der BRD, ab 1948 waren dann aber deutliche Änderungen zu erkennen. Somit gingen die Motive der Engel und Zwerge langsam aber sicher verloren, wie auch die Krippendarstellungen hinter dem 24. Türchen wurden diese konsequent durch Weihnachtsbäume und -männer ersetzt. Engel und Zwerge wurden hingegen durch Tiere, Verkehrsmittel, Leben im Kindergarten, Wintersport, Tannenbaumkaufen und Plätzchenbacken ausgetauscht.
In den 1950er-Jahren nahm das Angebot an Adventskalendern stark ab, da viele kleinere Verlage verstaatlicht wurden oder diese den Betrieb aufgeben mussten. Den damals bedeutendsten Verlag für Adventskalender bildete der Planet-Verlag Berlin. Mit ihren Sagen- und Märchen-Adventskalender wurde versucht, Kinder zum Lesen anzuregen.
Der Füllkalender
Die heute geläufigste Version eines Adventskalenders, der gefüllte Adventskalender, geht auf Gerhard Lang zurück. Dieser griff in den 1920er-Jahren eine Idee seiner Mutter auf, welche in seiner Kindheit 24 Wibele auf einem Karton befestigte, damit Gerhard Lang täglich eins essen und die Tage bis Weihnachten erfassen konnte.Lang brachte aus diesem Grund einen mit Schokolade gefüllten Adventskalender heraus, der jedoch damals doppelt so teuer wie andere Kalender war.
Auch diese Idee wurde von anderen Verlagen aufgegriffen, so war die in Hamburg bekannte Firma Pea lange Zeit Marktführer für gefüllte Adventskalender. Neben mit Schokolade gefüllten Adventskalender gab es bereits damals welche mit Plastikfiguren, die am Ende des Kalenders dann ein ganzes Set darstellen, aber entsprechend teuer waren. Auch in der DDR wurden Füllkalender angeboten, so gab es in den ersten Nachkriegsjahren mit Schokolade gefüllte Adventskalender aus Thüringen. Später wurden Kalender entwickelt, die zum Selbstbefüllen waren und jedes Jahr wiederverwendet werden können.
Mit dem Füllkalender wurde die Adventszeit, welche ursprünglich eine Zeit des Fastens war, zu einer Zeit der kleinen Geschenke, an denen sich Jung und Alt erfreuen können. Denn schon lange werden Adventskalender nicht mehr nur für Kinder hergestellt, sondern auch Erwachsene können sich an diesen erfreuen.
Quellen und weiterführende Informationen:
Peschel, T. (2009): Zur Geschichte der Adventskalender. In: Tina Peschel (Hrsg.): Adventskalender. Geschichte und Geschichten aus 100 Jahren. Dresden: Verlag der Kunst, 9-110.