Nach dem Fest: Herausforderungen und Chancen durch digitale Geschenke
Die Weihnachtszeit hat vielen Kindern strahlende Augen beschert – ob mit neuen Smartphones, Tablets oder Gaming-Konsolen unterm Baum. Doch nach der Freude über die Geschenke folgt für Eltern häufig die Herausforderung: Wie lernen Kinder im Alltag den richtigen Umgang mit diesen Geräten? Digitale Medien sind längst Teil des Lebens, doch sie bringen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich. Wie viel Freiheit ist gut? Wann braucht es Regeln? Und wie lassen sich Lernpotenziale nutzen, ohne dass die Nutzung aus dem Ruder läuft?
Digitale Medien und ihre Auswirkungen auf Kinder
Die Nutzung digitaler Medien ist für viele Kinder zwischen 6 und 13 Jahren ein fester Bestandteil ihres Alltags. Mehr als jedes zweite Kind in dieser Altersgruppe schaut regelmäßig (einmal bis mehrmals oder jeden Tag pro Woche) Filme, Serien oder Sendungen im Internet und nutzt Dienste wie WhatsApp zum Versenden von Nachrichten (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest [mpfs], 2022). Zudem sieht etwa jedes vierte Kind mindestens einmal pro Woche Inhalte auf TikTok an (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest [mpfs], 2022). Diese Zahlen verdeutlichen, wie tief digitale Medien im Leben von Kindern verankert sind. Doch welche Auswirkungen hat diese Nutzung auf ihre Entwicklung? Hierzu liefert die Forschung unterschiedliche Perspektiven.
Um die potenziellen Risiken einer extremen Mediennutzung zu beleuchten, liefern Ko und Park (2023) wichtige Erkenntnisse. Die qualitative Studie untersuchte die Perspektiven von 15 Müttern, deren Kinder als problematische Smartphone-Nutzer und damit einhergehende übermäßige digitale Mediennutzer beschrieben wurden. Die Befragung zeigte, dass Kinder mit exzessiver Smartphone-Nutzung häufig ein abnehmendes Interesse an Büchern hatten und sich weniger lange auf das Lesen eines Buches konzentrieren konnten. Zudem traten Verhaltensprobleme wie Aggressionen und Frustration auf, insbesondere dann, wenn Eltern versuchten, die Nutzung einzuschränken. Gesundheitliche Probleme wie Schlafstörungen und Sehschwierigkeiten wurden ebenfalls berichtet. Diese Konflikte belasteten die Eltern-Kind-Beziehung und erschwerten Disziplinierungsmaßnahmen. Die Studie liefert wertvolle Einblicke in Problemfälle, bleibt jedoch aufgrund der kleinen und selektiven Stichprobe auf spezifische Kontexte beschränkt.
Im Gegensatz dazu bietet die repräsentative Studie von Przybylski und Weinstein (2019) eine breitere Perspektive. Die Stichprobe umfasste 19.957 Kinder und spiegelt die allgemeine amerikanische Population im Alter von 2 bis 5 Jahren wider. Die Ergebnisse zeigten, dass selbst bei Bildschirmzeiten von mehr als sieben Stunden täglich keine signifikanten negativen Auswirkungen auf das Wohlbefinden oder die psychische Gesundheit nachgewiesen werden konnten. Moderate Bildschirmzeiten (bis zu drei Stunden und 24 Minuten täglich) wiesen in einigen Fällen sogar positive Effekte auf, wie eine stärkere Bindung zwischen Eltern und Kind. Somit relativiert die Studie die Annahme, dass Bildschirmzeit generell schädlich für Kinder ist.
Erziehungsstrategien für den Umgang mit digitalen Medien
Wenn der Medienkonsum von Kindern sogar positive Effekte haben kann, stellt sich die Frage, wie Erziehungsverantwortliche Risiken wie die negativen Folgen exzessiver Nutzung, vermeiden und gleichzeitig den Nutzen digitaler Medien maximieren können.
In der Forschung zur digitalen Medienerziehung wird hauptsächlich zwischen drei zentralen Erziehungsstrategien unterschieden (Livingstone & Helsper, 2008; Scott, 2022; Wendt, 2021):
- Aktive Erziehung, bei der Eltern mit dem Kind über Medieninhalte sprechen, während es diese nutzt. Diese Strategie umfasst sowohl instruktive Ansätze, wie das Unterstützen des Verständnisses durch Erklärungen oder gemeinsames Nachdenken, als auch kritische Diskussionen über problematische Inhalte wie Gewalt oder unangemessene Darstellungen.
- Restriktive Erziehung, die sich auf das Setzen von Regeln bezieht, wie das Begrenzen der Nutzungszeit, das Blockieren bestimmter Inhalte oder das Einschränken des Nutzungsortes. Ziel ist es, exzessive Nutzung und potenziell negative Einflüsse zu vermeiden.
- Gemeinsame Nutzung, bei der Eltern gemeinsam mit dem Kind Medien konsumieren, ohne aktiv über die Inhalte zu sprechen. Diese Strategie teilt die Medienerfahrung, stärkt soziale Bindungen, verzichtet jedoch auf tiefergehende pädagogische Eingriffe.
Die genannten Strategien haben jeweils ihre Vor- und Nachteile, die sowohl Chancen als auch Herausforderungen im Umgang mit dem Medienkonsum von Kindern aufzeigen.
Durch aktive oder restriktive Erziehungsstrategien können Eltern den Medienkonsum ihrer Kinder gezielt steuern. Beispielsweise können sie altersgerechte, pädagogisch wertvolle Inhalte auswählen, die darauf abzielen, akademische und soziale Kompetenzen zu fördern (Kirkorian et al., 2008). Studien zeigen zudem, dass Kinder Inhalte besser aufnehmen und verstehen, wenn sie E-Books gemeinsam mit ihren Eltern lesen (Dore et al., 2018). Darüber hinaus kann gemeinsame Nutzung positive Erlebnisse schaffen, die das Gefühl von Nähe und Bindung zwischen Eltern und Kindern fördern (Morris et al., 2021). Gleichzeitig erhalten Eltern durch die gemeinsame Nutzung von Medien einen besseren Einblick in die Aktivitäten ihrer Kinder, was das Verständnis und die Unterstützung erleichtert.
Einschränkungen, wie sie bei der restriktiven Erziehung häufig vorkommen, können jedoch auch negative Konsequenzen haben. So wurde festgestellt, dass ein übermäßiges Einschränken von Online-Aktivitäten nicht nur die Chancen der Kinder einschränkt, digitale Resilienz zu entwickeln, sondern auch das Vertrauen der Kinder in die Eltern untergräbt. Dies kann dazu führen, dass Kinder elterliche Kontrollen umgehen und sich nicht an ihre Eltern wenden, wenn sie auf Probleme stoßen (Rimini et al., 2016 nach Helsper et al., 2024; Staksrud, 2013 nach Helsper et al., 2024). Darüber hinaus können restriktive Maßnahmen wie das Festlegen von Social-Media-Regeln problematisch sein, wenn sie ohne Einbeziehung der Kinder erfolgen. Studien zeigen, dass Jugendliche eher bereit sind, Regeln zu akzeptieren, wenn diese in Gesprächen gemeinsam entwickelt werden und die Autonomie der Jugendlichen berücksichtigt wird (Morris et al., 2021). Auch zeigt die Forschung, dass gemeinsames Anschauen von Medieninhalten von Eltern und Kind mit einer Abnahme der kognitiven Flexibilität bei Kindern verbunden sein kann (Bukhalenkova et al., 2023). Ein Grund dafür ist, dass Eltern häufig die Auswahl der Inhalte und den damit verbundenen Suchprozess übernehmen. Dadurch haben Kinder weniger Gelegenheiten, selbstständig nach Inhalten zu suchen und diese wichtige Erfahrung eigenständig zu machen.
Angesichts der Vor- und Nachteile verschiedener Erziehungsstrategien wird in der Wissenschaft aktuell empfohlen, weniger restriktive Maßnahmen anzuwenden und stattdessen auf eine Kombination aus aktiver Beteiligung und technischer Kontrolle zu setzen, die eine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit schafft (Helsper et al., 2024; Livingstone et al., 2017). Dabei wird betont, dass Eltern ihre eigenen digitalen Kompetenzen stärken sollten, um ein besseres Verständnis der Risiken zu entwickeln und diese effektiver zu managen. Gleichzeitig sollte die Mediennutzung der Kinder so gestaltet werden, dass sie nicht nur deren digitale Fähigkeiten fördert, sondern auch den Austausch zwischen Eltern und Kind unterstützt.
Fazit: Chancen nutzen, Risiken minimieren
Die digitale Medienerziehung von Kindern stellt Eltern vor Herausforderungen, bietet jedoch auch zahlreiche Chancen. Studien zeigen, dass digitale Medien nicht grundsätzlich schädlich sind – vielmehr können sie, bei bewusstem Einsatz, positive Effekte auf Problemlösefähigkeiten und die Eltern-Kind-Bindung haben (Kirkorian et al., 2008; Morris et al., 2021). Mit einer ausgewogenen Kombination aus klaren Regeln, Begleitung und Unterstützung können Kinder lernen, digitale Medien sicher, verantwortungsvoll und gewinnbringend zu nutzen.
Für Eltern, die sich weiter informieren möchten, gibt es hilfreiche Ressourcen. Die Initiative „SCHAU HIN!“, unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie Partnern wie ARD, ZDF und dem AOK-Bundesverband, bietet praxisnahe Tipps und Informationen für den altersgerechten Umgang mit digitalen Medien (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2024). Auf der Webseite finden Eltern alltagstaugliche Empfehlungen und Hinweise, die einfach in den Familienalltag integriert werden können. Ebenso bietet der Artikel „Digitale Medien im Alltag von Familien“ von Wendt (2021) noch einmal detaillierte Einblicke in Erziehungsstrategien im Umgang mit digitalen Medien und deren Einfluss auf den familiären Alltag.
Quellen und weiterführende Informationen
Bukhalenkova, D. A., Chichinina, E. A. & Almazova, O. V. (2023). How Does Joint Media Engagement Affect the Development of Executive Functions in 5- to-7 year-old Children? Psychology in Russia: State of the Art, 16(4), 109–127. https://doi.org/10.11621/pir.2023.0407
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2024, 30. April). Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-jugend/medienkompetenz/initiative-schau-hin-was-dein-kind-mit-medien-macht/initiative-schau-hin-was-dein-kind-mit-medien-macht–73512. (08.12.2024)
Dore, R. A., Hassinger-Das, B., Brezack, N., Valladares, T. L., Paller, A., Vu, L., Golinkoff, R. M. & Hirsh-Pasek, K. (2018). The parent advantage in fostering children’s e-book comprehension. Early Childhood Research Quarterly, 44, 24–33. https://doi.org/10.1016/j.ecresq.2018.02.002
Helsper, E. J., Veltri, G. A. & Livingstone, S. (2024). Parental mediation of children’s online risks: The role of parental risk perception, digital skills and risk experiences. New Media & Society, 00(0), 1-20. https://doi.org/10.1177/14614448241261945
Kirkorian, H. L., Wartella, E. A. & Anderson, D. R. (2008). Media and young children’s learning. The Future of children, 18(1), 39–61. https://doi.org/10.1353/foc.0.0002
Ko, Y. & Park, S. (2023). Impacts of problematic smartphone use on children: Perspectives from main caregivers. Archives of psychiatric nursing, 46, 59–64. https://doi.org/10.1016/j.apnu.2s023.08.007
Livingstone, S. & Helsper, E. J. (2008). Parental Mediation of Children’s Internet Use. Journal of Broadcasting & Electronic Media, 52(4), 581–599. https://doi.org/10.1080/08838150802437396
Livingstone, S., Ólafsson, K., Helsper, E. J., Lupiáñez-Villanueva, F., Veltri, G. A. & Folkvord, F. (2017). Maximizing Opportunities and Minimizing Risks for Children Online: The Role of Digital Skills in Emerging Strategies of Parental Mediation. Journal of Communication, 67(1), 82–105. https://doi.org/10.1111/jcom.12277
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2022). KIM-Studie 2022 – Kinder + Medien, Computer + Internet. https://mpfs.de/studie/kim-studie-2022/. (08.12.2024)
Morris, A. S., Ratliff, E. L., Cosgrove, K. T. & Steinberg, L. (2021). We Know Even More Things: A Decade Review of Parenting Research. Journal of research on adolescence : the official journal of the Society for Research on Adolescence, 31(4), 870–888. https://doi.org/10.1111/jora.12641
Przybylski, A. K. & Weinstein, N. (2019). Digital Screen Time Limits and Young Children’s Psychological Well-Being: Evidence From a Population-Based Study. Child development, 90(1), e56-e65. https://doi.org/10.1111/cdev.13007
Scott, F. L. (2022). Family mediation of preschool children’s digital media practices at home. Learning, Media and Technology, 47(2), 235–250. https://doi.org/10.1080/17439884.2021.1960859
Wendt, R. (2021). Digitale Medien im Alltag von Familien. DJI Verlag Deutsches Jugendinstitut, München. https://doi.org/10.36189/DJI122021