Digitale Medien im Schulunterricht
Die großflächige Digitalisierung der Schulbildung ist spätestens seit der Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“, aus dem Jahr 2016, zu einem zentralen bildungspolitischen Thema in Deutschland geworden. Bereits in diesem Beschlusspapier, das später sogar zur Grundlage für das Bildungsförderprogramm „Digitalpakt Schule“ des Bundes diente, wird die Zielsetzung einer Einbindung digitaler Medien schon im Primarschulbereich stark hervorgehoben. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage, welchen Nutzen eine Digitalisierung des Schulunterrichts verspricht. In diesem Beitrag präsentieren wir beispielhaft ausgewählte Forschungsergebnisse, die mögliche Effekte digitaler Medien im Schulunterricht darlegen und aufzeigen, wie sich diese Effekte potenziell maximieren lassen.
„Wie wirksam sind digitale Medien im Unterricht?“
2014 veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung die von Prof. Dr. Bardo Herzig durchgeführte Studie „Wie wirksam sind digitale Medien im Unterricht?“. Hierin werden die Voraussetzungen, Effekte und Limitierungen von digitalen Bildungsansätzen anhand zuvor veröffentlichter, empirischer Studien kompiliert. Durch die Analyse dieser explorativen und repräsentativen Studien gelingt es dem Autor, grobe Erfolgsvoraussetzungen für digitalisiertes Lernen in der Schule zu formulieren. Nach Prof. Dr. Herzig versprechen digitale Medien einen größeren Lernerfolg beispielsweise dann, wenn sie in einer Mischform auftreten (z.B.: Text mit Illustration, Video mit Audio bzw. auditives Medium mit Animation, etc.). Weiterhin ließen sich in einigen Untersuchungen übergreifende Effekte auf die Motivation oder Medienkompetenz der Schüler*innen messen. Prof. Dr. Herzig stellt allerdings auch klar, dass etwaiger Mehrgewinn durch die Nutzung digitaler Medien im Unterricht von mehr als nur den Medien selbst abhängt. Insgesamt nennt er vier Faktoren, welche die Wirkung eines digitalisierten Schulunterrichts beeinflussen:
- das bereits genannte digitale Medienangebot selbst,
- die Unterrichtsprozesse, welche diese Medien beinhalten sowie
- die vom Unterricht profitierenden Schüler*innen und
- die für Unterricht und Institution Verantwortlichen, also Lehr- und Leitungspersonal.
Eindeutig sei, dass Grundeinstellung der Lehrkraft sowie Anleitung und Strategie der Schule eine maßgebliche Rolle bei der Integration, Akzeptanz und Wirkung digitaler Medien in Schulen spielen. Die Leitungskompetenz der Schulleitung, welche durch individuelle sowie organisatorische Unterstützung des Lehrerkollegiums bedeutend für den Erfolg einer Implementation digitaler Unterrichtselemente sei, werde hervorgehoben. Ebenso essentiell seien auch Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte.
Prof. Dr. Herzig konkludiert, dass sich keine eindeutigen bereichsspezifischen Pauschalaussagen über Wirkung digitaler Medien(-nutzung) im Schulunterricht treffen lassen, da zu viele Einflussfaktoren mit unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven in die Bewertung von Studienergebnissen mit einfließen müssen. Eine gewisse lernförderliche Wirkung digitaler Medienangebote sei dennoch hinreichend empirisch evident. Um diese Wirkung entfalten zu können, argumentiert der Autor für eine systematische Betrachtung schulischer Institutionen und, in der Folge, für die Entwicklung von auf die individuellen Umstände angepassten Lehr- und Lernkonzepte. Zuletzt betont Prof. Dr. Herzig die Notwendigkeit einer Digitalisierungsstrategie ebenso wie die zentrale Rolle von sowohl pädagogisch als auch technisch geschultem Personal, das die Einbindung und den anhaltenden Umgang mit digitalen Medien im Schulunterricht permanent begleiten muss.
Medienbeispiel: Interaktive Whiteboards
Ein digitales Medium, zu dem bereits 2010 eine Studie zur potenziellen Wirkung auf Lernprozesse durchgeführt wurde, ist das interaktive Whiteboard. In einer Kleinstadtschule im US-amerikanischen Staat Ohio untersuchten Swan et. al. die Veränderungen in Lerneffekten, welche die neue elektronische Tafeltechnologie auslöste. Als Anstoß für die Untersuchung habe dabei die Annahme und Hoffnung der Schule gedient, durch die intensiven Investitionen in diese neue Technologie eine merkliche Verbesserung der Schülerleistungen in standardisierten Testverfahren nachweisen zu können. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen tatsächlich eine statistisch signifikante positive Entwicklung der Testergebnisse im Fachgebiet der Mathematik, jedoch fielen diese Verbesserungen nur gering aus. In anderen Fachbereichen können zwar leichte Verbesserungen festgestellt werden, allerdings ließen sich diese statistisch nicht eindeutig der Nutzung von interaktiven Tafelflächen zuordnen. Eine bestehende Leistungsdiskrepanz, sogar zwischen mit der neuen Technologie ausgestatteten Klassen, motivierte die Studienautor*innen dazu, den Umgang der Lehrkräfte mit den interaktiven Whiteboards genauer zu untersuchen. Hierbei habe sich schließlich ein Zusammenhang zwischen kreativer und angeregter Nutzung der Technologie mit besseren Testergebnissen der Schüler*innen feststellen lassen.
Anhand ihrer Studie kommen Swan et. al. zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von interaktiven Whiteboards einen positiven Lerneffekt mit sich bringen kann. Dieser Effekt ist für sie jedoch eindeutig an die Kompetenz der Lehrkraft gekoppelt, die Technologie und ihre Kapazitäten aus- und abzuschöpfen.
Good-Practice-Beispiel Alemannenschule Wutöschingen
Das IfaK hat mit seinem Beitrag zum digitalen Lernen an der Alemannenschule Wutöschingen bereits ein Vorzeigebeispiel für eine gelungene Fokussierung auf digitalisierte Schulbildung beschrieben. Digitale Medien sind hier nicht einfach in den klassischen Frontalunterricht integriert, sondern stehen im Zentrum eines individualisierten Lernprozesses. Sie entfalten ihr Wirkungspotential durch ein angepasstes und speziell ausgerichtetes Unterrichtskonzept, das durch eine robuste sowie vielfältige digitale Infrastruktur unterstützt wird. Um Genaueres hierüber zu erfahren, lesen Sie den Beitrag hier auf unserer Website.
Ausblick
Das eingangs erwähnte Beschlusspapier zur Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ von 2016 beschreibt den Bildungsauftrag allgemeinbildender Schulen in der digitalen Welt wie folgt:
“Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule besteht im Kern darin, Schülerinnen und Schüler angemessen auf das Leben in der derzeitigen und künftigen Gesellschaft vorzubereiten und sie zu einer aktiven und verantwortlichen Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, beruflichen und wirtschaftlichen Leben zu befähigen. […] Da die Digitalisierung auch außerhalb der Schule alle Lebensbereiche und – in unterschiedlicher Intensität – alle Altersstufen umfasst, sollte das Lernen mit und über digitale Medien und Werkzeuge bereits in den Schulen der Primarstufe beginnen. Durch eine pädagogische Begleitung der Kinder und Jugendlichen können sich frühzeitig Kompetenzen entwickeln, die eine kritische Reflektion in Bezug auf den Umgang mit Medien und über die digitale Welt ermöglichen. Ziel der Kultusministerkonferenz ist es, dass möglichst bis 2021 jede Schülerin und jeder Schüler jederzeit, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist, eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen können sollte.”
Die Konferenz offenbart somit, dass das primäre bildungspolitische Ziel der Digitalisierung des nationalen Schulunterrichts die Medienbildung ist. Auf diese Weise sollen Schüler*innen auf alle Facetten des Lebens in der heutigen digitalisierten Gesellschaft vorbereitet werden. Gleichzeitig betont die KMK allerdings, dass die Einbindung digitaler Lehr- und Lernmethoden sowie -medien stets pädagogischer Ziele folgen muss. Sie postuliert einen Strukturwandel in deutschen Schulen, um diese Anforderungen zu erfüllen.
Auffällig ist somit, dass der reine Nutzen in Bezug auf Lerneffekte digitaler Medien und Medienangebote im Schulunterricht nicht im Vordergrund steht. Etwaige Verbesserungen in diesem Bereich sind sekundär. Stattdessen soll die Anwendung und das Vertrautmachen mit digitalen Medien in Klassenräumen vordergründig den Umgang mit der digitalen Welt schon von jungem Alter auf üben. Es gilt vor diesem Hintergrund weitere Nachforschungen zu den praktischen Umsetzungen der KMK-Forderungen anzustellen, besonders zu etwaigen Verbesserungen in der Medienbildung der Schüler*innen sowie zu Veränderungen des Bildungsniveaus, ausgelöst durch die breitere Digitalisierung des deutschen Bildungssystems. Schließlich stellt sich hierfür jedoch die Frage, inwiefern und zu welchem Grad allgemeinbildende Schulen aus Primär- und Sekundarstufe bereits nach den Richtlinien und Vorstellungen der KMK digitalisieren konnten. In einem zukünftigen Beitrag zum Stand des Bundesbildungsförderprogramms „Digitalpakt Schule“ wollen wir diese Thematik näher betrachten.
Quellen und weiterführende Informationen
Herzig, B. (2014). Wie wirksam sind digitale Medien im Unterricht? Bertelsmann Stiftung.
KMK. (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusministerkonferenz. https://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrategie_2017_mit_Weiterbildung.pdf
Kratcoski, A., Schenker, J., Swan, K., & van ‘t Hooft, M. (2010). Interactive Whiteboards and Student Achievement. In Thomas, M. & Schmid, E. C. (Hrsg.), Interactive Whiteboards for Education: Theory, Research and Practice (S. 131-143). IGI Global. https://doi.org/10.4018/978-1-61520-715-2
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