Digitale Märkte – Videospiele als Vertriebsplattformen

Zahlreiche Apps für Smartphone oder Tablet sind heutzutage kostenlos verfügbar auf den beiden größten App-Plattformen Google Play und Apple App Store. Dies hat den simplen Grund, dass die Profitabilität der wichtigsten und umsatzstärksten Branchen im Digitalen nicht über einen einmaligen Kaufpreis maximiert wird. Um die Einstiegsbarriere zur Nutzung einer Applikation so gering wie möglich zu halten, bieten Unternehmen ihre Apps zunächst kostenlos an. Hat ein*e Nutzer*in eine solche kostenfreie Applikation erst einmal heruntergeladen, bietet eine Mehrzahl von Unternehmen heutzutage innerhalb ihrer Anwendung Produkte oder Dienstleistungen, die über die Basisfunktionen der kostenlosen Applikation hinausgehen. Diese sogenannten in-App-Käufe lassen sich meist nur gegen Bezahlung freischalten. Die App wird somit selbst zum digitalen Markt, also zur eigenen Vertriebsplattform.
Besonders für junge Nutzer*innen erleichtert der zunächst von finanziellen Hürden befreite Einstieg den Zugang zu Applikationen. Auch auf sie zielt die bedeutendste, da umsatzstärkste Sparte der mobilen Anwendungen ab: das Mobile Gaming.
Mobile Gaming: Definition, Kennzahlen und Bedeutung
Der Videospielmarkt für mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets, also das Mobile Gaming, erwirtschaftete in Deutschland im Jahr 2021 über 2,7 Milliarden Euro über in-App-Käufe. Der direkte Erwerb einer solchen Applikation für Smartphone oder Tablet generierte hingegen die vergleichsweise geringe Summe von nur 7 Millionen Euro, was einem Anteil am Gesamtvolumen von lediglich ca. 0,26 % entspricht. Weiterhin ist dieser prozentuale Anteil am Gesamtumsatz des Mobile Gaming in Deutschland anhaltend im Sinken begriffen; 2014 lag der Anteil noch bei 11,2 %, bei einem Umsatz durch Einmalkauf von 24 Millionen Euro. Im selben Zeitraum stieg der Gesamtmarktumsatz im Bereich Mobile Gaming jedoch um mehr als das elffache. Der immense Einfluss und wirtschaftliche Erfolg der in-App-Käufe in Videospielen für mobile Endgeräte kann also anhand ihrer stetig wachsenden Bedeutung für den Markt als belegt gelten.
In diesem Kontext muss auch die Tatsache Beachtung finden, dass das Mobile Gaming den wirtschaftlich bedeutendsten Markt für mobile Applikationen bildet. Dies lässt sich anhand der zehn umsatzstärksten Apps in Deutschland im Januar 2022 erkennen: unter diesen befinden sich acht Spiele, die insgesamt 61,8 Millionen USD einnahmen, während die einzigen beiden Applikationen, die nicht in die Kategorie der Spiele fallen – das soziale Netzwerk TikTok und der Streamingdienst Disney+ – gemeinsam 16,2 Millionen USD verzeichneten.
Verschiedene Monetarisierungsstrategien
In-App-Kauf ist nicht gleich in-App-Kauf. Unternehmen verfolgen verschiedene Strategien in der Monetarisierung ihrer Mobile Games. Manche Applikationen bieten über ihre Plattform direkt erwerbbare spielerische Vorteile an. Andere Apps wiederum bieten den Nutzer*innen eine fiktive Währung zum Kauf an, von der die Spieler*innen zumeist eine fixe Menge für einen fixen Betrag kaufen können. Mithilfe dieser Währung lassen sich dann wiederum Käufe im Applikations-eigenen Markt tätigen. Viele Mobile Games bieten rein ästhetische Anpassungen für Avatare oder Spielumgebungen, die der Individualisierung des zumeist im Mehrspieler angelegten Spiels dienen. Zuletzt finden sich in Mobile Games auch Monetarisierungsstrategien, die auf Zufall basieren. Hierbei werden beim Kauf und Öffnen von digitalen Behältnissen zufällige digitale Gegenstände und Spielelemente an den Spieler ausgegeben, ähnlich wie bei analogen Sammelkartenspielen. Hierfür wird der Begriff Lootboxen verwendet, zu Deutsch Beutekisten, die annähernd eine Schatztruhe mit unbekanntem Inhalt mimen sollen. Häufig kombinieren Anbieter verschiedene Strategien zur Monetarisierung, sodass beispielsweise Lootboxen nur über eine zuvor zu erwerbende, spiel-eigene Währung erstanden werden können.
Mobile Games = Glücksspiel?
Besonders die Lootbox wurde in den letzten Jahren stark kritisiert. Die Prämisse, zufällige Belohnungen aus den bezahlten Boxen zu erhalten, gleicht Gegnern dieser Beutekisten zu stark dem Glücksspiel. Tatsächlich sind die Belohnungen in Boxen namhafter Entwicklerstudios wie EA, welches mit FIFA Ultimate Team Mobile ein auf exakt diesem Prinzip basierendes Spiel anbietet, oftmals mit digitalen Gegenständen unterschiedlicher Seltenheit gefüllt. Das bereits genannte Spiel bietet hierbei Packungen digitaler Karten an, die Spieler*innen erwerben können. Auf diesen Karten befinden sich weltbekannte Fußballer mit unterschiedlichen Werten, je nach sportlichem Können des Spielers. Die besten Sportler – die mit den höchsten Werten natürlich auch die besten Siegchancen im Spiel gegen andere Spieler versprechen – sind allerdings überaus selten.
Ein Vorwurf von Kritikern besteht daher darin, dass EA Spieler*innen sowohl durch Sammeldrang, als auch durch den Wunsch, kompetitiv im Spiel gegen andere Videospieler*innen sein zu können, zum wiederholten Kauf der teuren Packungen digitaler Karten verleitet. Ähnlicher Kritik sieht sich auch das in Deutschland sehr beliebte Spiel Coin Master gegenüber. Der Vergleich zum tatsächlichen Glücksspiel ist hier wiederum offensichtlicher, da das Mobile Game als bedeutendes Spielelement einen sogenannten einarmigen Banditen, einen bekannten Glücksspielautomaten, verwendet.
Mit Belgien und den Niederlanden haben sogar bereits die ersten Länder Gesetze gegen diese Art der Glücksspielähnlichkeit erlassen, auch und besonders im Namen des Jugendschutzes. Es stellt sich die Frage, ob Kinder und Jugendliche tatsächlich durch diese Spiele gefährdet werden.
Werden junge Spieler*innen zu Glücksspieler*innen?
Die Relevanz dieser Frage offenbart sich, wenn die Altersgruppenaufteilung von Videospieler*innen betrachtet wird. In Deutschland sind 2022 7 % aller Spieler*innen zwischen 6 und 9 Jahren alt, und ganze 16 % aller Gamer sind zwischen 10 und 19 Jahren. Nicht erfasst sind hier jene Kinder und Jugendlichen, die nur an Geräten von Eltern und Geschwistern Mobile Games oder Videospiele im Allgemeinen spielen können und dürfen. Somit dürfte die Zahl der möglicherweise Betroffenen noch höher liegen.
Bedauerlicherweise existieren bisher nur sehr wenige Untersuchungen zu dieser Thematik. Eine Studie jedoch, von Shibuya et. al. aus dem Jahr 2019 durchgeführt, signalisiert, dass glücksspielähnliche Elemente in Mobile Games zumindest kein eindeutig verlässlicher Anzeiger für eine spätere pathologische Glücksspielsucht sind. Gleichzeitig zeigen die Autor*innen aber auch auf, dass gewisse Preisstrategien in Mobile Games zu einer wachsenden Akzeptanz und kontinuierlichen Fortführung der in-App-Käufe durch Nutzer*innen führen können. Besonders bei Kindern, die ihrerseits ein geringeres Verständnis von Geld und möglicherweise auch den Konsequenzen ihres Handelns im digitalen Raum aufweisen, kann dies zu von Eltern ungewünschten und impulsiven Ausgaben von mehreren hundert bis – im Extremfall – tausenden von Euro führen. Zum Beispiel gab im Jahr 2020 in den USA ein Sechsjähriger über sechzehntausend Dollar zum Kauf digitaler Währung aus. Ein elfjähriges Mädchen hingegen verursachte, ebenfalls im Sommer 2020, Kosten von über fünftausend Dollar, die von der Kreditkarte ihres Vaters abgingen – der nach eigener Aussage lediglich einen ersten Kauf von knapp sechs Dollar autorisiert hatte. Zahlreiche weitere solcher Berichte von in finanzielle Schwierigkeiten gestürzten Familien mahnen Handlungsbedarf an.
Zur Verhinderung solcher Geschehnisse sollten Eltern über die Nutzung der mobilen Endgeräte ihrer Kinder sowie der darauf verwendeten Applikationen klar Bescheid wissen. Auf diese Weise lassen sich auch die Gefahren von in-App-Käufen an von den Kindern genutzten Applikationen erläutern, sodass diese wichtige Medienkompetenz und den Umgang mit Geld auch im Digitalen erlernen. Ebenso ratsam ist das Setzen eines Limits zum Kauf von digitalen Gütern durch das Kind, um der gesamten Familie viel unerwünschten Ärger zu ersparen; ein etwaiger Schaden lässt sich so präventiv in Grenzen halten oder gar gänzlich verhindern. Besonders die App Stores von Apple und Google bieten oftmals Mechanismen zur Einschränkung überbordender Ausgaben durch unautorisierte Personen an; diese sollten dringend verwendet werden.
Quellen und weiterführende Informationen
Airnow. (2022, Februar). Ranking der erfolgreichsten Apps im Google Play Store nach Umsatz in Deutschland im Januar 2022. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/689054/umfrage/apps-im-google-play-store-nach-umsatz-in-deutschland/ (19.09.2022)
GfK Entertainment. (2022, Mai). Umsatz mit Spiele-Apps für Smartphones und Tablets in Deutschland in den Jahren 2014 bis 2021. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/699449/umfrage/umsatz-mit-spiele-apps-in-deutschland/ (19.09.2022)
GfK Entertainment. (2022, Juni). Verteilung der Videogamer in Deutschland nach Alter im Jahr 2022. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/290890/umfrage/altersverteilung-von-computerspielern-in-deutschland/ (19.09.2022)
Kyle, H. (2020, 6. Juli). Dad Horrified Over $5,000 Charge to Bank Account After Daughter Made Thousands of In-App Purchases. Checkpoint XP. https://wjbr.com/2020/07/06/dad-horrified-over-5000-charge-to-bank-account-after-daughter-made-thousands-of-in-app-purchases/ (19.09.2022)
Leitsch, A. (2021, 6. März). Gesetzesänderung auf dem Weg: Spiele wie FIFA könnten bald als jugendgefährdend gelten. Meinmmo. https://mein-mmo.de/neues-gesetz-fifa-als-jugendgefaehrdend-gelten/ (19.09.2022)
Owen, M. (2020, 13. Dezember). Child spends $16K on iPad game in-app purchases. ai. https://appleinsider.com/articles/20/12/13/kid-spends-16k-on-in-app-purchases-for-ipad-game-sonic-forces (19.09.2022)
Shibuya, A., Teramoto, M., Shoun, A. & Akiyama, K. (2019, 4. Januar). Long-Term Effects of In-Game Purchases and Event Game Mechanics on Young Mobile Social Game Players in Japan. Simulation & Gaming, 50(1). https://doi.org/10.1177/1046878118819677