Bonus zum Hörmedium des Monats Januar – Ein Interview mit Theresia Singer
Im Januar kürte das Team Hörmedien das Hörspiel “Der Orient-Express – Eine Legende rollt durch Europa” zum Hörmedium des Monats. Bereits in der Vergangenheit wurden mehrere Produktionen der Reihe “Abenteuer & Wissen” aufgrund ihrer hervorragenden Qualität und spannenden Vermittlung eines Sachthemas ausgezeichnet. Gründerin und Geschäftsführerin des headroom-Verlags Theresia Singer gewährt dem Team unter anderem Einblicke in den Entstehungsprozess der erfolgreichen Reihe, an der sich seit 2004 Groß und Klein gleichermaßen erfreuen.
Das Hörbuch befindet sich zurzeit in einem großen Boom
Ein Interview mit Gründerin und Geschäftsführerin Theresia Singer über den headroom-Verlag
Zunächst würden wir gerne wissen, was der headroom-Verlag ist und welche Produkte er herausbringt.
Vom Grundwesen handelt es sich bei dem headroom-Verlag um einen Kinderhörbuchverlag, mittlerweile haben wir ihn aber auch um ein Erwachsenen-Programm erweitert. Gestartet sind wir mit Kinderhörspielen, die wir teilweise von Kinderbuchautoren für uns haben schreiben lassen. Im Jahre 2004 haben wir mit der Reihe „Abenteuer & Wissen“ begonnen. Mittlerweile hat sich diese Reihe auf über 60 Produktionen erweitert. Gedacht war sie anfangs vor allem für Jungen, wir haben aber sehr schnell gemerkt, dass sie auch Mädchen anspricht. Auch viele Erwachsene sind mittlerweile Fans geworden. Somit eignen sich die Hörbücher für die ganze Familie.
Wie kam es zur Gründung des Headroom-Verlags?
Gegründet habe ich zunächst eine Produktionsfirma. Ich hatte fast 20 Jahre beim Westdeutschen Rundfunk gearbeitet – davon 18 Jahre in der Hörspielabteilung. Als Tonmeisterin habe ich Hörspiele und Feature gemischt; auch in der Musikproduktion und in der Akustischen Kunst des WDR wurde ich eingesetzt. Dabei habe ich mit vielen tollen Schauspieler*innen und Regisseur*innen zusammengearbeitet und immer mehr über Regiearbeit gelernt. Und dann bestand irgendwann der Wunsch, selbst zu produzieren.
Deshalb habe ich mich mit einem weinenden und einem lachenden Auge entschieden, den WDR zu verlassen, weil ich nur so meinen Traum umsetzen konnte. Also habe ich eine Produktionsfirma gegründet und die ersten Hörspiele produziert, die auch ins Programm verschiedener Rundfunkanstalten übernommen wurden. Ich fand es jedoch schade, wenn so eine Produktion, die wochenlange Arbeit erfordert, nur einmal gesendet wird, um dann in den Archiven der Rundfunkanstalten zu verschwinden. An diesem Punkt habe ich beschlossen, einen Hörbuch-Verlag zu gründen. Um das Jahr 2000 gab es eine große Aufbruchsstimmung in der Buch-Branche und es gründeten sich sehr, sehr viele Hörbuch-Verlage. Auf der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2000 habe ich den Verlag zum ersten Mal präsentiert – und zwar mit zwei Hörbüchern! Als unabhängiger Verlag fängt man klein an; das Erwerben von Lizenzen ist bei so einem Neustart mit Hindernissen verbunden. Deshalb haben wir begonnen, unsere eigenen Lizenzen zu kreieren, indem wir u. a. unsere erste Sachhörbuch-Reihe selbst entworfen haben und Autor*innen für uns schreiben ließen.
Das war der Beginn. Vieles davon war nicht geplant und hat sich aus der Produktionsfirma entwickelt, die wir auch heute noch betreiben. Wir produzieren immer noch für viele Hörbuchverlage. Wir haben zwei eigene Tonstudios und immer noch sind die Rundfunkanstalten bei uns zu Gast, weil wir so ausgezeichnete Tontechniker*innen und das Knowhow haben.
Was sind Ihre Hauptaufgaben neben der Regie?
Wenn wir von der Aufgabe des Producers bei der „Abenteuer & Wissen“ – Reihe ausgehen, so kümmere ich mich zunächst um die Themenfindung. Wir besprechen gemeinsam im headroom-Team, welche Menschen oder Themenbereiche interessant sein könnten. Das ist manchmal gar nicht so leicht, weil wir bereits 60 Themen behandelt haben. Abenteuer-Themen sind immer noch sehr gefragt. Wir überlegen zusammen, wie das Programm die nächsten Jahre aussehen wird. Wir haben auch schon viele Themen-Ideen, die unseren Kriterien nicht entsprechen, fallen gelassen. Wir suchen immer nach Menschen oder Ereignissen, die der Menschheit etwas gebracht oder etwas bewirkt haben. Im nächsten Schritt suchen wir eine*n Expert*in für das beschlossene Thema. Mit Hilfe des*der Expert*in gelingt es, durch seine*ihre Einordnung der historischen Ereignisse, einen Bezug zur Gegenwart zu schaffen. Im weiteren Verlauf der Arbeit geht es darum, eine*n Autor*in für das Thema zu gewinnen. Mittlerweile haben wir einen kleinen Stamm von Autor*innen. Wir geben ein grobes Grundkonzept des Manuskripts an die Autor*innen weiter. Nach ca. 2–3 Monaten erhalten wir das Manuskript in der Erstfassung. Damit beginnt die redaktionelle Betreuung unsererseits, das Lektorat. Wenn wir schließlich das endgültige Produktions-Manuskript in den Händen halten, besetzen wir die Schauspieler*innen. Wir überlegen dabei, wer zu den Figuren passt und wer zur Verfügung steht. Die Aufnahmen an sich dauern etwa 3 Tage, dann geht es in die Mischung. Das ist der größte Teil der Produktion, das braucht 1–2 Wochen. Die Geräusche zu den Szeneneinblendungen und die passende Musik zu der Emotion, die wir vermitteln wollen, zu finden, ist sehr zeitaufwändig.
Während die Produktion läuft, wird von Sabine Starfinger in Zusammenarbeit mit Andrea Lange das Booklet gestaltet; es hat zwölf Seiten mit zusätzlichen Hintergrundinformationen und ist zeitgleich mit der Audio-Produktion fertig.
Wir freuen uns natürlich, wenn das fertige Hörbuch dann den Hörer*innen gefällt und dafür dann zum Beispiel den Preis „Hörmedium des Monats“ bekommt. Ich bin sehr glücklich darüber, weil dies eine sehr schöne, wertvolle und qualitativ hochwertige Auszeichnung ist.
Dankeschön.
Hörbücher der Reihe „Abenteuer und Wissen“ sind sehr oft ein Favorit bei uns. Es macht wirklich Spaß diese anzuhören und selbst wir lernen viel dadurch. Sie sind sehr schön produziert.
Es ist eine aufwändige Art ein Hörbuch zu produzieren, da es sich um ein Feature handelt und wir nicht etwa ein bereits lektoriertes, fertiggestelltes Buchmanuskript haben. Dafür macht die Produktion aber auch sehr viel Spaß. Auch wir entdecken selbst viel Neues; mich hat der „Orient-Express“ überrascht, weil mir erst beim Produzieren so richtig deutlich wurde, dass das Hörbuch eigentlich ein „Zug“ durch die Geschichte Europas ist. Das fand ich total faszinierend.
Wie lange dauert so eine Produktion von Anfang bis Ende?
Wir sitzen etwa zwei Monate an einer Produktion.
Und behandeln Sie auch irgendwelche Trends? Zum Beispiel Geburtstage oder besondere Events?
Ja, natürlich. Wir haben zum Beispiel im Lutherjahr ein Hörbuch über Luther gemacht, was gut angekommen ist. Wir achten auch darauf, welche Themen „in der Luft liegen“ und reagieren darauf.
Wie überprüfen Sie, ob ein Thema für Kinder verständlich erklärt wurde?
Das ist tatsächlich eine Sache, die wir im Moment nicht mehr mit Kindern überprüfen. Das haben wir am Anfang gemacht, um sicher zu sein. Aber mittlerweile können wir selbst ganz gut einschätzen, was funktionieren kann und was nicht. Es ist tatsächlich so, dass wir bei der Redaktion des Textes schon sehr schnell und sehr früh Wert darauflegen. Gerade wenn Autor*innen sonst eher für Erwachsene schreiben, passiert es doch manchmal, dass sie vergessen, dass sie bei Kindern viele Dinge nicht voraussetzen können.
In der Reihe gibt es auch Themen, die noch nicht für Achtjährige geeignet sind. Die Geschichte der Sophie Scholl ist eher ab zehn oder zwölf Jahren geeignet. Bei der Produktion war uns klar, dass wir das keinem*keiner Achtjährigen zumuten können. Veröffentlicht haben wir es trotzdem, weil wir denken, dass jeder weiß, worum es bei Sophie Scholl geht und Eltern werden wissen, dass sie es ihren kleinen Kindern nicht zu hören geben sollten.
Wir haben allerdings auch schon so viele Hörbücher produziert, bei denen wir gedacht haben, sie wären vielleicht für Achtjährige zu kompliziert. Und hinterher hören wir, dass Familien sich das zusammen angehört haben, oder dass die sechsjährige Tochter es ganz toll fand. Das überrascht uns manchmal. Und es freut uns natürlich, dass das Hörbuch dazu anregt, mit der ganzen Familie über die Themen zu sprechen. Ich glaube grundsätzlich, dass man Kindern auch mal etwas zumuten darf, was sie nicht in Gänze und auf Anhieb verstehen; später beim erneuten Anhören werden sie es dann doch begreifen.
Also: Im Moment haben wir kein „Testpublikum“. Wir haben aber viele Autor*innen, die Kinder in dem Zielgruppen-Alter haben. Sie lesen das Manuskript ihren Kindern vor und überprüfen damit auch, dass es verstanden wird. Außerdem ist unser Producer Simon Kamphans Vater zweier Söhne und Sabine Starfinger hat zwei Töchter. Da haben wir intern ein ganz gutes Feedback.
Was macht aus Ihrer Sicht ein gutes Kinder-Hörmedium aus?
Dass man es auch als Erwachsener gut hören kann! Sobald auch Erwachsene die Freude daran haben, und es toll finden, ist das Kinderhörbuch gelungen. Qualität hat keine Altersgrenze; man hört einfach direkt, ob es gut gemacht wurde und ob da wirklich mit Liebe herangegangen worden ist.
Wie sieht allgemein die Jahresplanung des headroom-Programms aus? Planen Sie schon im Voraus, wie viele Produktionen Sie im Jahr herausbringen möchten?
Eigentlich ist die Planung schon im Vorjahr abgeschlossen. Wir haben da wie alle Verlage einen ziemlich langen Vorlauf. Wenn wir jetzt zum Beispiel für das Frühjahr 2022 veröffentlichen, dann fängt die Beauftragung der Autor*innen schon 2021 an. Beispielsweise haben wir im im Frühjahr 2021 die Autorin beauftragt, etwas über Nikola Tesla zu schreiben, damit die Produktion im Frühjahr 2022 fertig wird.
Sie erwähnten bereits, dass die Produktion von Hörspielen nach Buchvorlage einfacher und schneller wäre. Wie genau unterscheidet sich da die Produktion, fallen da bestimmte Schritte weg?
Es fallen auf jeden Fall ziemlich viele Schritte weg, es kommen aber auch andere Schritte dazu, zum Beispiel der des Lizenzkaufes bei dem jeweiligen Buchverlag. Im Prinzip ist es so, dass man von den Buchverlagen Angebote bekommt, welche Bücher zur Verfügung stehen und was wir lizenzieren dürfen. Wir bewerben uns dann um die Lizenzen und nach einem Vertragsabschluss kann es auch schon schnell in die Produktion gehen.
Man erhält nach Erwerb der Lizenz einen revidierten Text und ein Cover, das bereits fertig gestaltet wurde. Man übernimmt natürlich das Cover vom Buch für den Wiedererkennungswert. Die daraufhin folgende Aufnahme des Hörbuches kann je nach Länge an einem Tag erfolgen, ein*e versierte*r Schauspieler*in schafft es locker ein 100 Minuten-Hörbuch an einem Tag einzulesen.
Wenn man noch etwas extra hinzufügen möchte, wie Musik, dauert es vielleicht zwei oder drei Tage länger, aber im Prinzip ist die Produktion eines Hörbuchs nach Buchvorlage sehr schnell fertig. Die Planung nimmt auch hier wieder die meiste Zeit in Kauf, darunter fällt zum Beispiel die Auswahl der Schauspieler*innen. Wir haben das Glück, dass wir Tonstudios haben, in denen wir selber produzieren können, insofern sind wir da sehr flexibel und nicht von der Belegung anderer Tonstudios abhängig. Termine für die Ton-Aufnahmen lassen sich leichter finden.
Wie hat sich die Hörmedien-Branche in den letzten Jahren entwickelt?
Sie hat sich positiv entwickelt. Im Erwachsenenbereich hat sie sich fast komplett in die Digitale Vertriebsebene verlegt. Es gibt mittlerweile eine große Anzahl an Hörbüchern, die gar nicht mehr als CD erscheinen, sondern direkt über Download- oder Streaming-Portale angeboten werden. Im Kinderbereich ist das noch etwas anders. Diese Entwicklung wird in der nächsten Zeit aber sicherlich auch hier kommen.
Viele Hörbuchverlage, die es Anfang der 2000er noch gab, sind nicht mehr am Markt. Viele Verlage haben aufgegeben, weil sie zu speziell waren, oder einfach finanziell nicht durchhalten konnten oder aber Probleme im Vertrieb hatten. Viele Verlage wurden verkauft. Somit hat sich die Hörbuchbranche sehr viel stärker gebündelt. Es hat sich aber auch in der Akzeptanz der Hörer*innen extrem viel getan, vor allem in den letzten Jahren. Hörbücher zu hören ist cool geworden, was natürlich eine tolle Entwicklung ist. Ich finde auch, dass wir diese Entwicklung unterstützen können, indem wir gute Hörbücher für Kinder produzieren. Ohne Kinderhörbücher gäbe es heute nicht so viele Fans von Hörbüchern.
Die Pandemie hat natürlich auch eine Rolle dabei gespielt, dass sich mehr Menschen für Hörbücher interessieren. Und mehr Kinder Hörbücher nutzen. Als Kinderhörbuchverlag hat man den großen Vorteil, dass ein Hörbuch eigentlich immer akzeptiert wird. Kein Elternteil hat große Bedenken, einem Kind ein Hörbuch hören und es damit dann auch alleine zu lassen. Bildmedien wird da nicht so sehr vertraut.
Grundsätzlich befindet sich das Hörbuch zurzeit in einem großen Boom, und das finde ich toll.
Haben Sie ein persönliches Lieblings-Hörmedium?
Da muss ich jetzt erstmal überlegen! (lacht) Ganz ehrlich, von den “Abenteuer & Wissen” Hörbüchern mag ich wirklich ganz ganz viele. Das zu Nelson Mandela mag ich unheimlich gern, und ganz toll finde ich auch das zu Ernest Shackleton. Das gefällt mir, weil die Figur des Shackleton bewundernswert ist. Er hat es geschafft, mit viel Aufwand seine Männer aus dem ewigen Eis zu retten. Eine ganz tolle abenteuerliche Geschichte, die so viel an Menschlichkeit zeigt. Besonders das Interview, das wir dazu geführt haben, war sehr spannend und interessant.
Meine Lieblingshörbücher im literarischen Bereich sind die Hörspiele, die wir aus den Büchern von Kommissar Gordon erstellt haben, die finde ich alle entzückend und Ulf Nilsson war so ein toller Schriftsteller! Leider ist er im letzten Jahr verstorben. Die Hörspiele, die wir produziert haben, werden aber auch weiterhin von den jungen Zuhörer*innen gehört werden. Und jedes Mal, wenn ich sie mir wieder anhöre, bin ich wieder aufs Neue begeistert.