Digitale Kinderarbeit – die Welt der Kidfluencer*innen
Am 12. Juni findet jährlich der Welttag gegen Kinderarbeit statt, ein internationaler Aktionstag, der auf die Ausbeutung von Kindern aufmerksam machen soll. Kinderarbeit kann viele Facetten haben. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) unterscheiden zwischen verschiedenen Kategorien von Arbeit, der leichten, erlaubten Tätigkeiten, Kinderarbeit und gefährlicher Arbeit. Leichte, erlaubte Tätigkeiten sind Arbeiten, die Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren ausüben können. Voraussetzung ist, dass die Tätigkeiten ihre physische und psychische Gesundheit sowie ihre Entwicklung nicht gefährden und sie nicht vom Schulbesuch abhalten. Diese Tätigkeiten sollten weniger als 14 Stunden pro Woche umfassen und ungefährlich sein. Kinderarbeit hingegen bezieht sich auf die Beschäftigung von Kindern unter dem Mindestalter sowie auf gefährliche Formen von Arbeit, die als separate Kategorie betrachtet werden.
In Deutschland gilt jede Form der Tätigkeit gegen ein Entgelt oder eine andere Entlohnung laut Jugendarbeitsschutzgesetz als Kinderarbeit und ist prinzipiell verboten, jedoch gibt es bestimmte Ausnahmen. Kinder unter 15 Jahren dürfen grundsätzlich nicht beschäftigt werden, außer bei künstlerischen, kulturellen oder Werbeaktivitäten mit Genehmigung der zuständigen Behörde (§5 JArbSchG).
Kinderarbeit im digitalen Raum
Eine Ausnahme kann zum Beispiel die Arbeit als Influencer*in darstellen. Im digitalen Raum sind arbeitende Kinder längst gesellschaftsfähig geworden. Sogenannte Kidfluencer*innen (oder auch Mini-Influencer*innen) werden zunehmend erfolgreicher und tragen nicht selten einen wesentlichen, wenn nicht sogar überwiegenden Teil zum Familieneinkommen bei. Im Jahre 2019 war der 8-jährige Ryan Kaji mit rund 26 Millionen der bestverdienendste YouTuber weltweit (Schau hin!, o.D.).
Kidfluencer*innen sind Kinder, die in den sozialen Medien als Influencer*innen auftreten und eine große Followerschaft haben. Sie nutzen Plattformen wie YouTube, Instagram, oder TikTok, um ihre Talente, Interessen oder Erfahrungen zu präsentieren und mit ihrem jungen Publikum zu interagieren. Häufig sind diese Kinder attraktive Gesichter für Werbekooperationen mit verschiedenen Unternehmen. Wie bei ihren erwachsenen Kolleg*innen gehört das Posten von Content in Form von Fotos und Videos sowie die Interaktion mit der Followerschaft zur Jobbeschreibung. Eine typische Tätigkeit für influencende Kinder stellt beispielsweise das Auspacken und Testen von Spielzeug dar. Oft sind es sogar bereits Kleinkinder, die vor laufender Kamera Produkte für tausende Zuschauende bewerben.
Für die Arbeit vor der Kamera müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Grundsätzlich müssen die Eltern der Tätigkeit zustimmen. Darüber hinaus muss die Kinderarbeit vom Jugendamt genehmigt und vom Arzt abgeklärt werden. Die Tätigkeit darf die gesundheitliche Verfassung und die schulischen Leistungen des Kindes nicht beeinträchtigen.
Wie viele Arbeitsstunden in welchem Alter geleistet werden dürfen, regelt Paragraph 6 des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Kinder zwischen drei und sechs Jahren dürfen im Zeitraum von acht bis 17 Uhr bis zu zwei Stunden täglich arbeiten. Ab sechs Jahren sind es bis zu drei Stunden am Tag im Zeitraum von acht bis 22 Uhr. Nach Beendigung der Tätigkeit müssen mindestens 14 Stunden ununterbrochene Freizeit gewährleistet sein (§6 JArbSchG).
Die Grauzone der Familienblogger*innen
Während es bei Kidfluencer*innen eindeutig ist, dass Kinder Arbeit verrichten, sieht die Lage bei Familienblogger*innen oft anders aus. Kinder stellen zwar einen Großteil des Contents dar, treten aber häufig passiv im Hintergrund auf oder werden beiläufig in vermeintlich interessanten, lustigen oder peinlichen Momenten gefilmt. Im Fokus stehen nicht die Kinder als Persönlichkeiten, wie bei den Kidfluenncer*innen, sondern das Familienleben und das Elternsein. Hier ist eine klare Abgrenzung von Arbeit und Alltag kaum bis gar nicht möglich.
Das Problem mit dem Kidfluencing
Wie bei erwachsenen Influencer*innen können die Grenzen zwischen Hobby und Arbeit leicht verschwimmen. Auch wenn es nach Spaß aussieht, ist Influencing Arbeit und kann zu einer enormen psychischen Belastung für Kinder werden. Ein Kind sollte nicht den Lebensunterhalt für die Familie verdienen müssen.
Die psychische Belastung kann ebenfalls durch äußere Einflüsse entstehen. Durch die dauerhafte Präsenz in der Öffentlichkeit sind Kinder der ständigen Beobachtung und Bewertung von Außen ausgesetzt. Der Wunsch zu gefallen und von der Followerschaft gemocht zu werden, kann zu einem hohen Maß an Unsicherheit und Selbstzweifeln führen. Dies ist überwiegend der Fall, wenn die Wertschätzung durch die eigenen Eltern an das Performen in den sozialen Medien geknüpft ist.
Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass influencende Kinder viel zu früh mit Inhalten für Erwachsene in Berührung kommen. Sie könnten mit Themen und Inhalten konfrontiert werden, die für ihr Alter nicht angemessen sind und ihre Entwicklung beeinträchtigen können. Ebenso besteht die Gefahr, Opfer von Cybermobbing oder sexualisierter Gewalt zu werden. Durch die öffentliche Dokumentation von persönlichen Informationen, wie Gewohnheiten und Aufenthaltsorten werden Kinder massiven Risiken ausgesetzt.
Das ständige Filmen in alltäglichen Situationen bedeutet außerdem einen massiven Einschnitt in die Privatsphäre der Kinder. Während erwachsene Influencer*innen selbst entscheiden können, wie viel sie von ihrem Alltag zeigen und von ihrem Privatleben preisgeben, sind Kinder auf den Schutz ihrer Eltern angewiesen. Kinder können die Tragweite von Veröffentlichungen im Internet oft noch nicht einschätzen und sind sich somit möglicher (negativer) Folgen nicht bewusst.
Die Veröffentlichung von Bild- und Videoinhalten verstößt in vielen Fällen gegen die Persönlichkeitsrechte von Kindern, besonders gegen das Recht auf Privatsphäre. Allgemein wird davon ausgegangen, dass Kinder unter sieben Jahren die Tragweite einer Veröffentlichung noch nicht einschätzen können. Die Entscheidungsverantwortung liegt daher bei den Eltern. Bei Kindern zwischen sieben und 13 Jahren sollte die Entscheidung von Eltern und Kindern gemeinsam getroffen werden. Durch die finanzielle Zugkraft kann es mitunter jedoch passieren, dass Kinder von ihren Eltern instrumentalisiert und kommerzialisiert werden.
Nicht zuletzt kann eine Tätigkeit als Kidfluencer*in die Eltern-Kind-Beziehung negativ beeinträchtigen. Wie kann ein Vertrauensverhältnis zwischen Elternteil und Kind bestehen, wenn dieses bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor die Kamera gezerrt wird? Wenn jedes peinliche oder emotional aufgeladene Erlebnis für die Öffentlichkeit ausgeschlachtet wird?
Viele Eltern sind sich dieser Risiken oftmals nicht bewusst. Daher ist es umso wichtiger, sich entsprechend zu informieren, um seiner Erziehungspflicht auch im digitalen Raum nachkommen zu können. Weiterführende Informationen zum Thema Kidfluencer*innen finden Sie zum Beispiel beim Deutschen Kinderhilfswerk oder bei der Initiative Schau hin!.
Quellen und weiterführende Informationen
Bundeszentrale für politische Bildung. (2022): Internationaler Tag gegen Kinderarbeit. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/334704/internationaler-tag-gegen-kinderarbeit/ (05.06.2023)
Deutsches Kinderhilfswerk. (2019): Zwischen Spielzeug, Kamera und YouTube. Wenn Kinder zu Influencern (gemacht) werden. https://www.dkhw.de/fileadmin/Redaktion/1_Unsere_Arbeit/1_Schwerpunkte/6_Medienkompetenz/6.14_Kinder-Influencer/Dossier_KinderinfluencerInnen.pdf. (05.06.2023)
D64 Zentrum für Digitalen Fortschritt. (2020). Digitale Kinderarbeit verhindern – Kidfluencer schützen. https://d-64.org/kidfluencing/ (05.06.2023)
Mitteldeutscher Rundfunk. (2023): Kinder Influencer – Wie viel Arbeit ist erlaubt? BRISANT | Das Erste. https://www.mdr.de/brisant/ratgeber/kinder-influencer-arbeit-recht-104.html (05.06.2023)
Meergans, L. (2019): Spielst du noch oder arbeitest du schon? Ein
kinderrechtlicher Beitrag zur Debatte um KinderInfluencerinnen und -Influencer. In: Deutsches Kinderhilfswerk (Hrsg.): Zwischen Spielzeug, Kamera und YouTube. Wenn Kinder zu Influencern (gemacht) werden. Berlin: Deutsches Kinderhilfswerk, 5-11. https://www.dkhw.de/fileadmin/Redaktion/1_Unsere_Arbeit/1_Schwerpunkte/6_Medienkompetenz/6.14_Kinder-Influencer/Dossier_KinderinfluencerInnen.pdf.
Rößner, S. (2020): Kidfluencer*innen zwischen kostenlosem Spielspaß und kommerzialisierter Kindheit. https://webcare.plus/kidfluencer/. (05.06.2023)
SCHAU HIN!. (o. D.): Kinder-Influencer: Social-Media-Erfolg aus dem Kinderzimmer. https://www.schau-hin.info/grundlagen/kinder-influencer-social-media-erfolg-aus-dem-kinderzimmer (05.06.2023)