Der erste Weltalphabetisierungstag fand 1966 durch einen Aufruf der UNESCO statt. Er wird jedes Jahr am 8. September gefeiert und soll durch Aktionen und Veranstaltungen auf die Bedeutung von Lese- und Schreibkompetenzen aufmerksam machen. Anlässlich dieses Welttags beschäftigt sich der folgende Beitrag mit dem Thema Analphabetismus.
Was ist Analphabetismus?
Analphabeten (im Fachjargon: gering literalisierte Erwachsene) sind Volljährige, die die Schriftsprache kaum bis gar nicht beherrschen. Dabei wird zwischen dem primären und sekundären Analphabetismus unterschieden. Bei Ersterem verfügt die Person über keine Schreib- und Lesefähigkeiten, bei Letzterem hat die Person zwar Lesen und Schreiben gelernt, diese Fähigkeiten jedoch wieder verlernt. Von eine*r/m funktionalen Analphabet*in wird gesprochen, wenn die Person bereits mit kurzen Texten Probleme hat und somit nicht auf angemessene Art und Weise am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.
Ursachen für Analphabetismus
Es gibt verschiedene Ursachen für Analphabetismus. Sie können von gesellschaftlichen über finanzielle bis hin zu politischen Gründen reichen. Noch 2018 wurden mehrere hundert Millionen analphabetische Menschen auf der Welt gezählt, darunter deutlich mehr Frauen als Männer. Nicht in jedem Land ist der Zugang zu Schulen selbstverständlich, teilweise wird es nur den Jungen und Männern erlaubt, am Unterricht teilzunehmen. Doch auch in den Schulen ist es durch Personal- und Zeitmangel schwierig, sich um jedes Kind einzeln zu kümmern. Dabei rutschen manche einfach durch, viele erreichen in Deutschland ihren Hauptschul- oder Realschulabschluss, einige wenige sogar ihr Abitur, ohne dass ihre geringe Literarisierung auffällt. Eine weitere Ursache kann die fehlende Förderung in der Familie sein. Wenn beispielsweise Sprache als etwas Unwichtiges abgetan wird, Eltern selbst zu den gering literarisierten Erwachsenen gehören oder sich einfach nicht mit Büchern u. Ä. beschäftigt wird, kann dies bei Kindern ebenfalls zu Analphabetismus führen.
Auswirkungen
In Deutschland sind mehr als sechs Millionen Menschen gering literarisiert. Hier sind die Männer mit 58 Prozent in der Mehrheit. Durch die mangelnden Lese- und Schreibkompetenzen erleben gering literalisierte Erwachsene starke Einschränkungen. Der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt ist erschwert und auch alltägliche Dinge wie der Kauf einer Fahrkarte ist nicht leicht zu meistern. Viele schämen sich dafür und erfinden bereits in der Schule Ausreden, um der Situation zu entkommen. Dabei kann es sogar zu vorsätzlichen Verletzungen am eigenen Körper kommen. Kinder, die daheim vernachlässigt werden, haben außerdem Probleme, im Unterricht mitzuhalten und sich zu motivieren. Wer von den Eltern Abwertung erfährt, fühlt sich dumm und nicht in der Lage, Lesen und Schreiben zu lernen. Auch später messen gering literalisierte Erwachsene ihren Wert teilweise allein an ihren fehlenden Fähigkeiten im Lesen und Schreiben.
Analphabetismus vorbeugen
Neben der schulischen Lese- und Schreibkompetenzförderung ist es wichtig, dass Kinder daheim Lesen und Schreiben als etwas Positives erfahren und diese Erfahrung am besten zusammen mit ihren Bezugspersonen sammeln. Die Vorlesestudie von 2018 der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung Die Zeit und der Deutsche Bahn Stiftung zeigt deutlich, wie Kinder durch regelmäßiges Vorlesen unterstützt und motiviert werden. Wer als Kind vorgelesen bekommt, hat es später einfacher, wenn es Lesen und Schreiben selbst lernen soll. Dabei reichen bereits 15 Minuten Vorlesen am Tag aus, um Kindern bei ihrer Literalisierung zu helfen und ihnen ihren späteren Alltag um einiges zu vereinfachen.
Bundeszentrale für politische Bildung (2018): Weltalphabetisierungstag. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/255710/weltalphabetisierungstag/. (27.07.2023)
MDR (2018): Wenn Texte lesen unmöglich ist. https://www.mdr.de/geschichte/zeitgeschichte-gegenwart/politik-gesellschaft/lesen-schreiben-analphabeten-weltalphabetisierungstag-100.html. (27.07.2023)
Göddemeyer, K. (2022): Der Kampf mit den Buchstaben – Analphabetismus. https://www.planet-schule.de/schwerpunkt/ich-und-die-anderen/der-kampf-mit-den-buchstaben-analphabetismus-hintergrund-100.html. (27.07.2023)
Rundfunk Berlin-Brandenburg (2022): “Es trifft oft diejenigen, die in der Schule mitgeschleift wurden”. https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/09/alphabetisierung-weltalphabetisierungstag-2022-gering-literarisiert-defizite-arbeit.html. (27.07.2023)
Hauschild, J. (2015): Können Sie denn nicht lesen? https://www.spektrum.de/news/warum-gibt-es-so-viele-analphabeten-in-deutschland/1371326. (27.07.2023)
Stiftung Lesen (2018): Vorlesestudie 2018 – Bedeutung von Vorlesen und Erzählen für das Lesenlernen. https://www.stiftunglesen.de/fileadmin/PDFs/Vorlesestudie/Vorlesestudie_2018_01.pdf. (27.07.2023)
Stiftung Lesen (2022): Weltalphabetisierungstag 2022: Lesen öffnet das Tor zur Welt – von Anfang an. https://www.stiftunglesen.de/ueber-uns/presse/pressemitteilung-detail/weltalphabetisierungstag-2022-lesen-oeffnet-das-tor-zur-welt-von-anfang-an. (27.07.2023)