Suchtgefahr bei Kinderserien
Der Serienkonsum bei Kindern ist heutzutage allgegenwärtig, insbesondere in Haushalten mit Zugang zu Streaming-Diensten. Doch was macht es mit den Kindern, wenn sie jederzeit freien Zugang zu ihren Lieblingsserien on demand haben? Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Suchtgefahr von Serien bei Kindern und gibt Ratschläge für einen achtsamen Umgang des Serienkonsums bei Kindern.
Suchtgefahr beim Binge-Watching
Laut einer Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) von 2019 ist das Phänomen des „Binge-Watching“ nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Kindern weit verbreitet. Unter Binge-Watching wird das kontinuierliche Anschauen von mehreren Folgen oder ganzen Staffeln einer Serie hintereinander verstanden. Der Begriff kam in den späten 1990er Jahren auf und beschreibt das Phänomen, dass Zuschauer in kurzer Zeit große Mengen an Serienmaterial konsumieren, oft an einem Stück. Ursprünglich wurde das Binge-Watching durch die Veröffentlichung von Serien in DVD-Boxen gefördert. Später trug die wachsende Verfügbarkeit und Beliebtheit von Video-on-Demand-Diensten, wie Netflix, dazu bei. Diese ermöglichen es den Zuschauern, Serien ohne wöchentliche Wartezeiten zu verfolgen und längere Handlungsstränge zusammenhängend zu erleben. Binge-Watching geschieht häufig als Freizeitbeschäftigung, besonders am Wochenende, und hat sich vor allem bei jüngeren Zuschauern verbreitet. (von Harpen, 2014)
So zeigt die Untersuchung des IZI, dass mehr als acht von zehn Kindern in Streaming-Familien zwei oder mehr Folgen hintereinander sehen. Beliebte Serien sind dabei “Paw Patrol”, “Peppa Wutz” und “Ninjago”, welche auf verschiedenen Plattformen verfügbar sind. Etwa 43 Prozent der Kinder zeigen leichte Formen des Binge-Watchings, während 40 Prozent als „Heavy Binge Watchers“ gelten und normalerweise drei oder mehr Folgen hintereinander sehen. Kinder, die früh viel fernsehen, zeigen ein erhöhtes Risiko für Binge-Watching-Verhalten.
Das Beispiel Cocomelon und Moonbug Entertainment
Eine beliebte Binge-Watch-Falle gerade für jüngere Kinder stellt dabei „die weltweite Nummer 1 der YouTube-Kids-Kanäle „CoComelon“ dar“ (Barthel, 2023). Mit 172 Milliarden Aufrufen im Jahr 2023 gelangt der Kanal auf Platz 2 der meist geschauten YouTube-Kanäle (Statista, 2023).
Diese hohe Aufrufzahl kommt nicht von irgendwo her: So arbeitet das Unternehmen hinter CoComelon namens Moonbug Entertainment akribisch daran, die Watchtime der kindlichen Zielgruppe von bis zu sechs Jahren zu optimieren.
So findet bei Moonbug monatlich eine Marktforschung statt, bei der Kinder einzeln vor dem Bildschirm sitzen und ausgewählte Episoden sehen. Dabei wird die Aufmerksamkeit der Kinder genau beobachtet. Mithilfe eines zusätzlichen Bildschirms namens Distractatron, welcher alltägliche Szenen zeigt, wird gemessen, wie oft die Kinder vom Moonbug-Programm zum Distractatron abgelenkt werden.
Diese Daten werden verwendet, um zu verstehen, welche Elemente in den Shows besonders ansprechend sind und welche vernachlässigt werden.
Moonbug setzt intensiv auf Datenanalyse, um Entscheidungen über die Gestaltung der Shows zu treffen. Selbst die Farbe des Busses in einer Animation wird durch die Analyse von YouTube-Zahlen bestimmt. Die Shows werden kontinuierlich angepasst und verfeinert, um sicherzustellen, dass sie die maximale Aufmerksamkeit der Kinder erhalten.
Diese Optimierung trägt nicht nur zum internationalen Erfolg der Shows wie beispielsweise von CoComelon bei, sondern auch zur polarisierenden Wirkung auf Eltern. Viele Eltern klagen über den exzessiven Konsum dieser Shows durch ihre Kinder und beschreiben sich selbst als „CoComelon-Überlebende“. In den sozialen Medien teilen Eltern ihre Frustrationen und Erlebnisse, wie diese Shows ihre Kinder in den Bann ziehen und manchmal den Alltag dominieren.
Eltern sind in einem ständigen Kampf zwischen der Unterhaltung, die diese Shows bieten, und der Sorge um den übermäßigen Einfluss auf die Kindererziehung.
Tipps für Eltern
Anhand des Beispiels CoComelon zeigt sich, dass bestimmte Regeln beim Medienkonsum essentiell sind, um der Suchtgefahr von Streaming-Diensten auf Kinder vorzubeugen. Die Psychologin Sharmila Egger gibt in einem Beitrag des SRF’s wichtige Tipps für einen verantwortungsbewussten Medienkonsum: So sollten Eltern immer präsent beim Medienkonsum ihrer Kinder sein und diesen aktiv mitgestalten. Es wird empfohlen, medienfreie Räume und Zeiten zu schaffen und eine ausgewogene Nutzung von digitalen Medien zu fördern. Egger unterstreicht die Rolle der Eltern als Vorbilder und erklärt, dass präsente Eltern enorm wichtig sind. Das eigene Verhalten der Eltern, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit digitalen Geräten, wirkt sich direkt auf das Verhalten der Kinder aus. Sie empfiehlt, medienfreie Räume und Zeiten zu schaffen, in denen die Familie bewusst auf digitale Geräte verzichtet. Die Richtlinie für die empfohlene Bildschirmzeit für Kinder liegt bei 30 Minuten pro Tag, wobei dies je nach individuellen Familienumständen variieren kann. Besonders im Kindergartenalter wird bereits eine Stunde Videokonsum als hoch angesehen. Egger betont, dass die Eltern in dieser digitalen Ära den technologischen Fortschritt nicht aufhalten können, jedoch die Kinder aktiv und verantwortungsbewusst durch die digitale Welt begleiten sollten. Sie appelliert an Eltern, Kinder vor den möglichen negativen Auswirkungen der digitalen Konsumwelt zu schützen und die Bildschirmzeit bewusst zu gestalten.
Weitere Tipps gibt die Website Elternguide.online mit:
So sollten Eltern darauf achten, die Streamingdienste mittels PIN-Einrichtungen oder Kindersicherungen so einzustellen, dass nur kindgerechte und altersgemäße Inhalte zugänglich sind. Auch die Jugendschutzeinstellungen sollten Eltern nutzen, um ihre Kinder vor unangemessenen Inhalten und Kontakten zu schützen. Darüber hinaus sollten Eltern mit ihren Kindern über mögliche Gefahren sprechen und die Einstellungen der Kinder zum übermäßigen Fernsehverhalten gemeinsam überdenken.
Begleitung und Kommunikation: Trotz Jugendschutzeinstellungen benötigen Kinder Begleitung bei der Mediennutzung. Eltern sollten ansprechbar sein, das Kind beim Videoschauen beobachten und gemeinsam Medienregeln festlegen, um die Medienkompetenz zu fördern.
Fazit
Insgesamt zeigen Studien, dass Kinder, die Binge-Watching betreiben, Anzeichen einer Abhängigkeit wie Kontrollverlust, negative soziale Folgen und leichte Entzugserscheinungen aufweisen. Eltern sind dazu angehalten, die Bildschirmzeit ihrer Kinder bewusst zu gestalten, Jugendschutzeinstellungen auf Streaming-Plattformen zu nutzen und eine aktive Begleitung und Kommunikation in Bezug auf den Medienkonsum zu pflegen. Es gilt, eine ausgewogene Nutzung von digitalen Medien zu fördern und die soziale Auswirkung von Serienkonsum bei Kindern zu berücksichtigen.
Quellen und weiterführende Informationen
von Harpen, J. (2014): binge watching.
https://filmlexikon.uni-kiel.de/doku.php/b:bingewatching-8498. (04.02.24)
Götz, M.; Mendel, C. (2019): Wenn Kinder auf Netflix, Amazon Prime und YouTube Kids »bingewatchen«.
https://izi.br.de/deutsch/publikation/televizion/32_2019_2/Goetz_Mendel-Wenn_Kinder_auf_Netflix_Amazon%20Prime_YouTube_Kids.pdf. (04.02.24)
Barthel, K. (2023): Kräftiger Aufwind für CoComelon.
Ceci, L. (2023): Most viewed YouTube channel owners of all time as of December 2023, by views.
Segal, D. (2023): A Kid’s Show Juggernaut That Leaves Nothing to Chance.
https://www.nytimes.com/2022/05/05/arts/television/cocomelon-moonbug-entertainment.html. (04.02.2024)
Stitzel, H. (2023): «Handy und Tablet dürfen keine Babysitter sein».
https://www.srf.ch/news/gesellschaft/kinderinhalte-im-internet-handy-und-tablet-duerfen-keine-babysitter-sein. (04.02.2024)
Elternguide.online (2024): Sicher streamen bei Netflix, Disney+ und Co..
https://www.elternguide.online/sicher-streamen-bei-netflix-disney-und-co/. (04.02.2024)
SCHAU HIN! (o. D.): Binge-Watching bei Kindern: Über ein Drittel der befragten GrundschülerInnen betroffen.https://www.schau-hin.info/studien/binge-watching-bei-kindern-ein-drittel-der-befragten-grundschueler-betroffen. (04.02.2024)