Mehr als nur rosa und blau – Warum Kindermedien echte Vielfalt brauchen

Wenn wir über Diversität sprechen, denken viele von uns vielleicht zuerst an Themen wie Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Orientierung. Doch Diversität umfasst viel mehr. Sie bedeutet, die Verschiedenheit aller Menschen zu akzeptieren, ganz gleich, ob es um ethnische Herkunft, Religion, körperliche oder geistige Einschränkungen oder soziale Herkunft geht.
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung und der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ist Diversität (oder Diversity) ein Ansatz, der die Vielfalt in unserer Gesellschaft sowie deren Potenziale und Chancen sichtbar macht. Dabei sollen alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Alter, Religion oder Weltanschauung – Wertschätzung und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe erfahren. Ziel ist es, Diskriminierung entgegenzuwirken und stattdessen Vielfalt als Bereicherung für die Gesellschaft anzuerkennen. (Bildung, 2022; Diversity Und Gender Mainstreaming, n.d.). Diversität sollte daher nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Medien präsent sein, um ein realistisches Bild unserer Welt zu vermitteln.
Wie Medien die Welt unserer Kinder formen
In Kindermedien ist die Art und Weise, wie Diversität dargestellt wird, von entscheidender Bedeutung, da sie das Bild von Normalität und Abweichung prägt. Kinder nehmen diese medialen Darstellungen auf, verinnerlichen sie und entwickeln dadurch ihre Selbstwahrnehmung sowie ihre Einstellungen gegenüber anderen. Medien fungieren dabei als eine zentrale Sozialisationsinstanz, die es Kindern ermöglicht, gesellschaftliche Werte zu begreifen und ein Verständnis für Vielfalt zu entwickeln (Bernstein, 2021; Why Diversity in Children’s Media Is so Important – Psychology in Action, n.d.). Die Forschung zeigt, dass Charaktere in den Medien einen signifikanten Einfluss auf das Verhalten und das Selbstbild von Zuschauern haben (Uhrig, 2020). Besonders bei jungen Zuschauern ist dieser Einfluss kaum zu überschätzen, wie Meike Uhrig in ihrem Werk „Subtil. Stereotyp. Sexualisierend.“ hervorhebt. Medien vermitteln nicht nur Unterhaltung, sondern auch Werte – sowohl explizit als auch subtil. Insbesondere Stereotype und Sexualisierungen in Kindermedien können langfristig Vorurteile verstärken und das Bild von Diversität verengen. Ein besonders sensibler Bereich ist dabei die Darstellung von Geschlechterrollen, bei der Mädchen und Frauen oft stereotypisiert werden (Burghardt & Klenk, 2016; Götz, 2019), sowie die Darstellung von Menschen mit Behinderungen, die in vielen populären Kindermedien weiterhin reduziert und stereotypisiert werden (Disability and the Media, 2005).
Stereotypen in Kindermedien
Die stereotypische Darstellung von Rollen ist in Medien nach wie vor stark ausgeprägt. So werden zum Beispiel oft die „traditionellen“ Geschlechterrollen aufgegriffen. Weibliche Figuren werden häufig passiv, emotional, hilfsbedürftig und weniger in führenden Rollen dargestellt als männliche Figuren (Burghardt & Klenk, 2016; Götz, 2019). Zudem werden sie im Zeichentrickbereich oft hypersexualisiert, indem sie unrealistisch schlanke und sexualisierte Körper dargestellt werden. Weibliche Heldinnen sind oft „Add-on“-Figuren: Perfekt, sportlich, hilfsbereit und immer attraktiv. Dies verstärkt den gesellschaftlichen Druck auf Mädchen (Götz, 2019).
Im Gegensatz dazu agieren männliche Figuren aktiver, dominanter und aggressiver und bei ihnen ist nicht so eine extreme Hypersexualisierung zu finden (Burghardt & Klenk, 2016; Götz, 2019).
Aber nicht nur das ist ein Problem, sondern auch, dass Mädchen- und Frauenfiguren im Kinderfernsehen deutlich unterrepräsentiert sind (nur ca. 28–33 %). In vielen Sendungen fehlen weibliche Hauptfiguren sogar komplett (Götz, 2019). Zudem erklärt sich die männlich geprägte Darstellung von Geschlechterrollen durch die Tatsache, dass 83 % der Entscheidungspositionen in der Produktion von Männern besetzt sind (Götz, 2019).
Menschen mit Behinderungen werden in Kindermedien häufig stereotyp und eindimensional dargestellt. Sie erscheinen oft als hilflos, abhängig oder bemitleidenswert, was ein verzerrtes Bild ihrer Lebensrealität vermittelt. Besonders auffällig ist der Mangel an Vielfalt: Meist werden nur bestimmte körperliche Behinderungen thematisiert, während geistige oder weniger sichtbare Beeinträchtigungen kaum Beachtung finden (Riley, 2005). Diese einseitige Darstellung verstärkt gesellschaftliche Vorurteile und fördert das Gefühl der Ausgrenzung.
Es ist daher von großer Bedeutung, dass Kindermedien nicht nur die Herausforderungen, sondern auch die alltäglichen Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen zeigen. Eine realistische und differenzierte Darstellung kann dabei helfen, ihre Lebenswirklichkeit authentisch widerzuspiegeln und Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, sich mit den dargestellten Figuren zu identifizieren. Wenn sie Charaktere sehen, die ihre eigenen Erfahrungen widerspiegeln, stärkt dies ihr Selbstwertgefühl und fördert ein positives Selbstbild.
Darüber hinaus ist es entscheidend, durch gezielte Bildungsarbeit und Sensibilisierung den Umgang mit Behinderungen in den Medien zu verbessern, um Verständnis und Empathie zu fördern (Riley, 2005).
Höchste Zeit für Veränderung!
Medien haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie Kinder sich selbst und andere sehen. Sie können Stereotype verstärken oder aufbrechen, je nachdem, wie bestimmte Gruppen dargestellt werden. Dabei geht es nicht nur darum, welche Gruppen benachteiligt, sondern auch, welche idealisiert oder überhöht dargestellt werden. Eine ausgewogene und vielfältige Repräsentation kann helfen, Vorurteile abzubauen und ein inklusives Bild der Gesellschaft zu fördern.
Es wird zunehmend gefordert, die Anzahl weiblicher Figuren in Medien zu erhöhen und die Diversität generell zu stärken. Besonders in kreativen Schlüsselpositionen sollten mehr Frauen und diverse Perspektiven vertreten sein, um die Darstellung von Diversität auf und hinter der Kamera zu verbessern (Götz, 2019). Verantwortliche in der Medienproduktion tragen eine entscheidende Rolle in diesem Veränderungsprozess.
Bis sich jedoch in der Medienproduktion spürbar etwas ändert, ist es unerlässlich, dass Kinder einen kritischen und reflektierten Umgang mit Medieninhalten entwickeln. Ohne diese Reflexion besteht die Gefahr, dass sie unbewusst Stereotype und Vorurteile übernehmen.
Auch Eltern und Lehrkräfte spielen eine wesentliche Rolle. Sie sollten darauf achten, dass die Medien, die Kinder konsumieren, eine vielfältige und inklusive Gesellschaft widerspiegeln. Durch aktive Gespräche mit den Kindern über diese Themen können sie ein bewussteres und respektvolleres Verständnis für gesellschaftliche Unterschiede fördern. Nur durch diese Reflexion können Kinder lernen, Stereotype zu erkennen und zu vermeiden.
Während Eltern und Lehrkräfte einen kritischen Umgang mit Medien fördern können, spiegeln auch die Wahrnehmungen der Teilnehmer wider, wie wichtig eine authentische Darstellung von Diversität ist. Die Ergebnisse unserer Umfrage zur Wahrnehmung von Diversität in Kindermedien verdeutlichen, welche unterschiedlichen Perspektiven es zu diesem Thema gibt.
Ein Blick auf die Meinungen der Eltern und Pädagogen
An der Umfrage zur Wahrnehmung von Diversität in Kindermedien haben 16 Personen teilgenommen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich viele eine authentische Darstellung von Diversität mit allen Aspekten wünschen. Diversität soll demnach nicht als zentrales Thema dargestellt werden, sondern auf natürliche Weise in die Geschichten einfließen. Andere hingegen finden Diversität, insbesondere sexuelle Diversität bereits überrepräsentiert und aufgezwungen.
- „Nicht nur Menschen verschiedener Hautfarben inkludieren, sondern auch bspw. Menschen mit Behinderungen.“
- „Es auch so präsentieren, wie es in dem Land/Region ist. Nicht auf Krampf irgendeine Diversität abbilden, die nicht vorherrscht!“
Dabei wird die Herausforderung darin gesehen, altersgerecht Diversität zu vermitteln und dabei nicht zu belehren. Zudem sind einige der Meinung, es fehle an passendem Material zu diesem Thema.
Die Teilnehmer haben aber auch verschiedene gute Medien als Beispiele genannt, unter anderem Elmar, Bluey, oder “Das alles ist Familie” für Kleinkinder. Aber auch für das Grundschulalter gab es Empfehlungen für Medien, die Diversität gut umsetzten; hier wurden zum Beispiel BIG und Checker Welt genannt.
Auf die Frage nach ‘einem Personenbeispiel für einen selbst ein Vorbild ist in Bezug auf Diversität, und warum?’ hat nur die Hälfte eine Person genannt. Dabei wurden Personen wie Verena Bentele, ehemalige Paralympics-Siegerin oder Jesus Christus angegeben.
- „Jesus Christus: Er machte keinen Unterschied [zwischen] Mann und Frau oder der Herkunft.“
Ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit
Ich persönlich bin der Ansicht, dass Diversität weit mehr umfasst als nur die sexuelle Orientierung oder Geschlechterrollen. Deshalb wünsche ich mir – ebenso wie viele der Umfrageteilnehmer – , dass Menschen mit Behinderungen und andere Facetten von Vielfalt authentisch und selbstverständlich in Mediengeschichten eingebunden werden.
Wie Jesus einst sagte: „Liebt einander so, wie ich euch geliebt habe!“ (Johannes 15:12) Für mich steht der Mensch an erster Stelle – unabhängig von Aussehen, Herkunft oder Weltanschauung.
Lasst uns einander mit Offenheit und Liebe begegnen!
Quellen und weiterführende Informationen
Bernstein, L. (2021, December 7). Mediensozialisierte Vorurteilsentwicklung bei Kindern: Eine empirische Analyse anhand von Bibi Blocksberg. Merz Zeitschrift Für Medienpädagogik. https://www.merz-zeitschrift.de/article/view/2151/1988
Bildung, B. F. P. (2022, July 20). Diversity / Diversität. bpb.de. https://www.bpb.de/lernen/angebote/vorbild/510604/diversity-diversitaet/
Burghardt, L., & Klenk, F. C. (2016). Geschlechterdarstellungen in Bilderbüchern – eine empirische Analyse. In GENDER: Vol. Heft 3 (pp. 61–80) [Journal-article]. https://pdfs.semanticscholar.org/7fee/099b6555bad049c5eeef62ad288f5f4d2ce1.pdf
Diversity und Gender Mainstreaming: Für eine vielfältige Gesellschaft. (n.d.). Landeszentrale Für Poltische Bildung Baden-Württemberg. https://www.lpb-bw.de/diversity#c47786
Götz, M. (2019). Geschlechterbilder im Kinderfernsehen. In Springer Reference Sozialwissenschaften (pp. 1–8). https://doi.org/10.1007/978-3-658-20712-0_57-1
Riley, C. A. (2005). Disability and the media. Google Books. https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=LRqc6S1q8w8C&oi=fnd&pg=PR3&dq=Disability+and+the+Media:+Prescriptions+for+Change%22+von+Barnaby+J.+O%27Connor+(2011)&ots=hnYCsdZI0F&sig=WRqaQYxEkXl7ZohdzhTO77gJfNc#v=twopage&q&f=falseStaff, Y. (n.d.). Johannes 15:12. YouVersion | Die Bibel App | Bible.com. https://www.bible.com/de/bible/877/JHN.15.12.BIBEL.HEUTE