Bonus zum Hörmedium des Monats November – Ein Interview mit Autorin und Verlegerin Ute Kleeberg
Im November hat das Team Hörmedien des IfaK die Geschichte “Der Glücksengel” als “Hörmedium des Monats” vorgestellt. “Der Glücksengel” ist im September 2021 unter der Edition SEE-IGEL erschienen und sticht vor allem durch den Einsatz von selbst eingespielter, klassischer Musik heraus. Die Mitglieder des Teams Hörmedien haben die Autorin und Verlegerin Ute Kleeberg nach ihren Erfahrungen befragt und unter anderem herausgefunden, dass in jedem von uns noch ein Kind schlummert.
Beides muss zueinander passen: Sprache und Musik
Ein Interview mit Autorin und Verlegerin Ute Kleeberg
Frau Kleeberg, Ihre Edition SEE-IGEL gibt es schon ziemlich lange – über 25 Jahre. Wir haben uns gefragt, wie es zu der Gründung kam und welche Motivation hinter dem Verlag steckt. Ihre Produktionen leben von klassischer Musik und Geschichten…
Als Kind hatte ich nie einen Zugang zur klassischen Musik. Die Produktionen, die ich dann gefunden habe, nachdem ich selber Kinder bekommen habe, fand ich alle sehr, sehr, sehr verkopft. Auch habe ich immer die Schwierigkeit, dass die klassische Musik im Kopf angesiedelt ist. Jede andere Musik kann man emotional genießen – so auch die klassische Musik – ohne Vorwissen zu haben. Man muss nicht wissen, wer wie lange Schlagzeug studiert hat oder ob die jetzt eine Gesangsausbildung hatten oder nicht. Einfach: Musik berührt!
Klassische Musik kann genauso berühren, nur wird es uns leider selten ermöglicht, so einen Umgang mit dieser Musik zu haben. Wir machen in der Schule alle die Erfahrung, wenn es dann um klassische Sachen geht, da muss man viel lernen über Dur und Moll und über das Leben der Komponisten. Man kann es nicht einfach so genießen.
Außerdem wollte ich Produktionen machen, bei denen Musik berührt – klassische Musik – für welche man auch kein Vorwissen braucht. Man kann einfach nur sagen, “die Musik erzählt was oder nicht!” Und deshalb, weil ich das nicht gefunden habe, habe ich das selbst entwickelt.
Und der Name SEE-IGEL ist auch sehr besonders! Wie kam der denn zustande?
Also wenn Sie mein Logo kennen, wissen Sie, dass es ein Igel mit ganz vielen Stacheln in einem Schwimmring ist, etwas völlig Unmögliches. Als ich damals klassische Musikproduktionen für Kinder entwickelt habe, da wollte ich gar keinen eigenen Verlag gründen. Ich habe nur gedacht: “Das ist eine gute Idee, vielleicht macht das jemand”. Und dann haben alle Verlage zu mir gesagt: „Klassik für Kinder ist unmöglich, das können wir nicht verkaufen und da steigen wir nicht mit ein“.
Und da ich auch am See wohne, passte das mit dem Schwimmring ganz gut, deshalb kam es dann zu diesem Logo.
Also mein Verlag ist eigentlich etwas Unmögliches. (Lacht)
Schließlich habe ich mir, nach fünf Jahren Verlag, selber eine Geschichte geschenkt, die ich dann für mich geschrieben habe. Sie heißt „Und der Igel schwimmt doch“. Nach fünf Jahren hab‘ ich gedacht: „Es geht doch!”
Sie haben ja erwähnt, dass Ihre Idee von anderen Verlagen abgelehnt wurde. Hatten Sie selbst dann auch Bedenken? Woher kam der Mut, es dann trotzdem zu machen und so fest daran zu glauben?
Das war nicht so ganz bewusst. Ich wusste nicht, was es heißt, einen eigenen Verlag zu haben. Ich war am Anfang noch Spieltherapeutin und Sonderschullehrerin. Damals hieß es noch für verhaltensauffällige Kinder und ich habe die Konzerte für Kinder nebenher gemacht. Nachdem ich jedoch den Verlag gegründet habe, wurde mir immer mehr klar: “Alles zusammen geht nicht mehr, ich muss mich entscheiden”. Somit habe ich mich dann für den Verlag entschieden, obwohl mir mein Beruf auch sehr viel Spaß gemacht hat. Die ersten Zuhörer waren damals auch meine Schüler. Ich hatte damals eine Klasse mit Jungen im Alter von 11-14 Jahren.
Das war natürlich das erste Feedback für Sie, nehme ich an. Wie kam das ganze Konzept an?
Das war das Wunderbare! Eine Reaktion war: “Hey, krass!” (lacht). “Der Film, den du uns gezeigt hast“ und ich dachte mir, “Ich habe euch jetzt mit Musik und Sprache eine Geschichte erzählt ” und mein Schüler kommt zu mir mit “Hey, krass, der Film.” Und das war natürlich genau das, was mir gezeigt hat, dass die Sprache in Verbindung mit der Musik den Raum für die eigene Fantasie öffnet. Dieser Raum für die eigene Fantasie in meinen Geschichten und in meinen Produktionen ist mir ein sehr großes Anliegen. Also es funktioniert. Das wurde mir dann klar.
Sie haben ja auch sehr viele Preise bekommen, beispielsweise den “Medienpreis Leopold” oder den “Ehrenpreis der deutschen Schallplattenkritik 2021”. Daran sieht man, dass Sie da auch sehr viel Zuspruch bekommen. Hatten Sie die Situation, dass die Verlage, die Sie abgelehnt haben, wieder auf Sie zugekommen sind im Sinne von: “Wir hätten nicht gedacht, dass das doch Erfolg hat” oder anders gefragt, wie kommt Ihr Konzept denn allgemein im Mainstream an?
Ich komme ja gar nicht aus der Verlagsbranche, ich hatte weder einen Etat für Werbung, wie die anderen Verlage, noch Kontakte. Aber im Laufe der Zeit habe ich drei große Angebote bekommen, von Verlagen, die mich übernehmen wollten und die auch ganz unterschiedlich waren. Alle hatten jedoch eines gemeinsam: viel Geld. Und das andere war im nächsten Schritt, dass daran auch Bedingungen geknüpft waren, dass ich eben meine Rechte komplett verliere und dass ich auch verpflichtet werde, jedes Jahr eine gewisse Anzahl von Produktionen zu machen.
Letzteres kann ich mir zum Beispiel gar nicht vorstellen, dass ich in Serie produzieren würde. Ich gebe meine Produktionen immer erst aus der Hand, sobald sie richtig gut sind. Ich hätte meine Schwierigkeiten, zum Beispiel solche Aufträge eines Verlags auszuführen wie: “Es ist Beethoven-Jahr oder Mozart-Jahr, machen Sie jetzt was mit Mozart oder Beethoven”. Würde ich nie machen. Das widerspricht zutiefst meiner Grundauffassung. Natürlich hatte das dann auch den Nachteil, dass Verlage, die mir das Angebot gemacht haben, dann gesagt haben “Okay, also die Idee ist ja trotzdem gut, also wir machen das einfach selbst und mit anderen Leuten”. Das tat dann auch ein bisschen weh.
Das verstehe ich, weil auch sozusagen Ihr Herzblut und Ihre Geschichte darin steckt und dann wird das übernommen.
Der Hauptpunkt ist nicht, dass das dann übernommen wird, sondern ich habe mich in einer Nische bewegt. Dadurch, dass ich nicht bereit war, das in größere Hände zu übergeben, wurde diese Nische immer mehr zugemauert. Das fand ich schlimm. Ich finde es eigentlich gut, dass viele interessante, klassische Musikproduktionen für Kinder machen, je mehr, desto besser, je mehr Qualität, umso besser. Aber die Welt der Kindermedienverlage ist kein Ponyhof.
Sie erwähnten, dass wenn jetzt zum Beispiel Mozart-Jahr ist, Sie dann nicht extra dafür etwas produzieren würden, sondern etwas, was zu Ihrer Geschichte passt. Gibt es einen bestimmten Prozess bei der Auswahl der Musikstücke?
Ich überlege mir, welche Musik könnte die Geschichte erzählen? Da ich das Ganze auch auf der Bühne aufführe und wir uns es nicht leisten können, mit einem ganzen Orchester zu reisen, haben wir Kammermusikstücke, also eine kleine Besetzung. Dann überlege ich mir, welche Musik oder welche Instrumente würden jetzt gut zur Geschichte passen? Mein Mann, der selbst Musiker ist, Klarinettist, hilft mir dabei. Er geht dann wie ein Trüffelschwein auf die Suche (lacht) und findet dann auch interessante Musikstücke, die man auch noch nicht so kennt. Er gräbt auch immer ganz besondere Stücke aus. Ich habe dann einen Fundus von etwa drei Stunden Musik, welcher für mich auf dem Klavier eingespielt wird. Ich höre mir das dann an und suche mir einzelne Miniaturen für die Geschichte aus und dann passiert es auch mal, dass ich sage: “Tut mir leid, aber da fehlt immer noch ein ganz entscheidendes Stück”. Weil die Musik erzählt nicht das, was ich an der Stelle brauche. Dann sucht mein Mann weiter, deswegen dauert das auch so lange, bis ich sage, dass es jetzt in meinen Augen zu 100 % passt und Sprache und Musik gemeinsam erzählen.
Wir haben das bei der Auswahl für das “Hörmedium des Monats” November auch so wahrgenommen. Wir hören uns so viele Hörmedien an und dann kam da plötzlich die klassische Musik. Das war mal etwas anderes. Wir haben uns dann informiert und die Geschichte vom Verlag gelesen, wie alles aufgebaut wurde und das war das, was uns zu einem Interview verleitet hat und natürlich auch zur Auswahl.
Danke, vielen Dank.
“Der Glücksengel” ist bei uns “Hörmedium des Monats” November geworden. Uns interessiert, was hinter der Produktion steckt. Genau diese Mischung von Musik und Erzählung hat uns so begeistert. Wie die einzelnen Musikstücke die Geschichte tatsächlich hervorheben. Man spürt, dass man Teil der Geschichte wird. Woher nehmen Sie sich denn die Inspiration generell für Ihre Geschichten, wie beispielsweise “Der Glücksengel”?
Ich glaube, eine Riesenzahl Geschichten hat jeder Mensch in sich, wenn er sich ein Stück weit das Kind bewahrt hat. Ich denke, wir sind immer so ein Mosaik aus allen Puzzleteilen. Mit jedem Jahr, das wir älter werden, kommt etwas Neues dazu, aber wir sind immer noch das Kind und wir erinnern uns auch noch an das Kind. Wenn man damit sensibel umgeht, dann kommen einem die Geschichten zugeflogen wie der Glücksengel.
Was war Ihnen beim Glücksengel besonders wichtig bei der Auswahl der Musik oder eben auch der Sprecherin?
Katharina Schüttler hat nicht so viele Hörbücher gemacht. Ich habe zu ihr Kontakt bekommen und sie hat einfach eine ganz, ganz besondere Art zu erzählen. Ich finde, sie erzählt die Geschichte so, wie wenn sie es jetzt einem ganz persönlich am Bettrand erzählen würde. Sie macht das einfach besonders. Ich weiß nicht, ob das jetzt Preise bringt und ob das für gut befunden wird, aber mir hat das super gut gefallen, wie sie erzählt und deswegen habe ich mir sie auch gewünscht. Sie hat das erstmal bei ihren Kindern getestet und denen die Geschichte vorgelesen und den Kindern hat es gefallen. Nach der Produktion hat sie gesagt: “Das war auch eine sehr schöne Zusammenarbeit.”
Was bei meinem Glücksengel auch noch wichtig ist: Ich hatte neulich ein Interview, da hat mich jemand gefragt “Ja, klingt ja ganz schön, Der Glücksengel, wenn man das Wort aber googelt, dann gibt es das tausend Mal.” Ich denke, dass von den vielen Tausend auch mein Glücksengel da oft dabei ist, aber sie hat dann gesagt: „Aber was unterscheidet Sie?“. Und ich glaube, was mich da unterscheidet, ist, dass man sich meine Geschichte zwar kaufen kann, aber den Glücksengel, den muss man sich nicht kaufen, den hat jeder einfach so schon. Außerdem glaube ich nicht, dass es ein Püppchen oder ein Engelsrufer ist. Den haben wir alle in uns. Und ich finde es eben ganz schön, wenn man sich an sich selbst als Kind erinnert und vielleicht können Sie das auch ganz gut. Man denkt immer, die Kinder sind alle so glücklich und die haben es so wunderbar leicht und so schön. Wenn ich mich an mich selbst als Kind erinnere, dann hatte ich schöne Tage. Aber ich hatte auch schwere Tage. Ganz schwere Tage. An denen man sich nicht verstanden fühlt, von niemandem, nicht mal von seiner besten Freundin und man hat das Gefühl, alle anderen verstehen sich jetzt und ich gehöre nicht dazu und und und. Auch so viele Selbstzweifel. Genau diese Idee, dass es da eine Kraft in einem gibt, also die da einem einfach beisteht, ich glaube, das ist auch die Kraft der Fantasie. Indem wir nicht in der Situation verharren und uns davon runterdrücken lassen, sondern uns Gedanken machen. Wie hätte ich es gern? Und sich dem einfach versuchen, ein bisschen anzunähern. Ich glaube auch, dass wir mit dieser Kraftkammer so viel verändern können und wir vergessen das oft. Gerade in solchen Situationen. Und meine Geschichte soll ebenso Trost und Zuversicht schenken. Gerade in so einer grauen Zeit, die wir jetzt auch alle haben. Und jeder hat die Nase voll von Corona und kann nicht raus und kann nicht feiern. Und wenn man es macht, hat man ein schlechtes Gewissen und die Lebensfreude kommt so abhanden. Doch die Lebensfreude muss man sich gerade in dieser Zeit erhalten.
Ja, das stimmt. Teresas Konflikt am Anfang der Geschichte, dieses “sich unverstanden fühlen” wird besonders durch die Sprecherin Katharina Schüttler deutlich. Das ist schon etwas Besonderes. Teresas Emotionen werden durch ihre Stimme und die Sprechweise sehr deutlich hörbar und hervorgehoben. Das hat uns sehr, sehr gut gefallen.
Das freut mich.
Wir erarbeiten immer Methoden für die ausgewählten Hörmedien, mit denen man dann beispielsweise im Unterricht arbeiten kann. Beim „Glücksengel” haben wir als Methode, eine “Gefühlskurve zeichnen” ausgewählt, weil dies eben gerade durch die Stimme so präsent war. Teresa war am Anfang so „Niemand mag mich und keiner hört mir zu“ und dann gegen Ende, hat sie sich total verändert. Das war keine Gefühlskurve, die nur bergauf ging, sondern sie hatte ihre Höhen und Tiefen. Und es stach für uns heraus, dass man wirklich mit der Stimme der Sprecherin auch arbeiten konnte.
Ich finde auch, sie macht es toll. Und dann eben die Musik dazu. Also man kann da noch träumen.
Wir auf jeden Fall auch! Das ist nicht nur etwas für Kinder. Die Kraft in sich erkennen, davon können – glaube ich – auch Erwachsene profitieren. Sich ein bisschen zurückbesinnen und daran glauben, dass wir auch eben eine kleine Kraft in uns haben oder auch eine große Kraft.
Die Größte.
Jetzt sind wir etwas philosophisch geworden… Uns interessieren aber auch die Bedingungen der Produktion, wie sehen denn allgemein die einzelnen Arbeitsschritte bei einer Produktion aus?
Also vorher habe ich bereits schon erzählt, wie das ist, bis eine Geschichte geschrieben ist und ich die Musik gefunden habe. Dann wird es bei uns sehr, sehr interessant. Wir lassen ja die Musik von professionellen Musikern und Musikerinnen einspielen und das müssen wir mit dem Ensemble, das wir ausgesucht haben, zunächst einstudieren und proben. Als nächstes überlegen wir uns, welche Räumlichkeiten vielleicht geeignet wären und mieten die an. Für das Hörbuch brauchen wir ungefähr 20 Minuten Musik. Und dafür machen wir zwei Tage Aufnahmen – quasi in einem Studio mit Technik. Wir arbeiten zwei Tage lang, bis wir das so haben, wie wir das gerne hätten. Dann wird die Musik geschnitten. Dann wird das Wort geschnitten. Dann wird es nacheinander zusammengefahren, Wort und Musik werden miteinander verbunden. Damit ist erst der erste Teil fertig. Und dann kommt natürlich das Cover. Das ist auch immer eine zusätzliche Arbeit. Und der Text, der da drin steht. Also es ist sehr, sehr aufwendig.
Das klingt auch sehr arbeitsreich und jeder einzelne Schritt ist mit Kosten verbunden, denn es sind ja nicht nur Sie und Ihr Mann beteiligt, sondern Musiker, Techniker, und und und. Wieviel kostet denn die gesamte Produktion – am Beispiel “Der Glücksengel”?
Wenn man sich das überlegt, gerade “Der Glücksengel”, den sie jetzt so in der Hand haben, wenn wir die Musik mitrechnen, das Studio und die ganzen Kosten, kommt die Produktion auf etwa 10.000 Euro. Und jetzt können Sie sich vorstellen, was das mit mir als Verlegerin macht. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Vielleicht kommen wir auch später noch dazu. Wenn jetzt diese Aufnahme zum Streamen angeboten werden soll, wo wir dann pro CD deutlich weniger als 1 Cent bekommen, müsste ich das millionenfach streamen, damit ich eine einzige Aufnahme machen könnte. Es wird nicht reichen. Also kann man hochrechnen. Das ist Kannibalismus, wirklich! Die Leute können von den Erlösen keine neuen Inhalte mehr schaffen. Und es müsste ja auch richtig verteilt werden. Wir müssen ja auch noch GEMA-Gebühren bezahlen und die Mitwirkenden.
… gibt es denn eine Alternative, um qualitätsvolle Hörproduktionen herzustellen ohne, dass ein Minus-Geschäft entsteht? Wenn ja, was wäre denn die Alternative?
Ich könnte ja auch in den Download gehen. Es gibt ja tolle Portale und die bezahlen auch relativ fair. Aber ich mache mir so eine Mühe, um so eine hochwertige Musikaufnahme zu machen. Und die Download-Portale, die komprimieren die Daten. Das heißt, die Qualität ist einfach für die Musik nicht gut. Für das Wort kann man das sehr schön machen. Aber wenn die Musik so im Mittelpunkt steht und wenn man so aufwendige Aufnahmen macht, wie wir das machen, dann braucht es die Qualität. Weil wir berühren wollen und unbedingt einfach zeigen wollen, wie wunderbar Musik erzählen kann, dann kann ich es nicht mit einem guten Gewissen einem Download-Portal geben. Das wäre ein Verrat an meiner Arbeit. Dazu kommt noch ein weiterer Punkt, der auch die aktuelle Situation schwieriger macht. Immer weniger Eltern und Kinder haben noch CD-Player! Die CD ist quasi abgeschafft! Und ich mache ja auch Aufführungen – aber seit zwei Jahren sind die Bühnen geschlossen… Es ist eine schwierige Situation.
Bei der Vorbereitung des Interviews haben wir im Team auch darüber geredet, dass die Situation gerade in der Corona-Zeit für kulturelle Angebote schwierig sein muss. Wir würden gerne am Ende nochmal auf diesen wichtigen Punkt zurückkommen. Nochmal kurz zurück zu der Produktion von Hörmedien. Wie viele Menschen sind da grob dabei bei der Produktion? Wie groß ist das Team dahinter?
Also bei der Sprachaufnahme mache ich die Regie. Da sind dann die Sprecher*in und ein*e Tonmeister*in oder Toningenieur*in und ich da. Fertig. Das sind drei Leute. Bei der Musikaufnahme kommt es darauf an, wie viele Musikerinnen und Musiker dabei sind, beim Glücksengel spielen drei Musikerinnen und Musiker. Also da sind wir dann zu sechst…
… Sie sind tatsächlich bei jedem Produktionsschritt dabei…
Ja.
Sie betreiben Ihren Verlag nun schon seit über 25 Jahren. Welcher Teil Ihrer Arbeit macht Ihnen am meisten Spaß?
Jeder. Also, mir macht es keinen Spaß, das kann ich sagen, selbst auf die Bühne zu gehen. Selbst wenn ich einen Preis bekomme, ich bin kein Bühnen Mensch. Aber bei der Produktion zum Beispiel, bin ich immer aufgeregt. Darüber, wie das wird und ob das klappt und ob ich alles richtig gehört habe. Das macht mir unglaublich viel Spaß und zwar am meisten: Wenn ich das erste Mal bei der Probe sitze und mir wird die Musik richtig vorgespielt von den Musikerinnen und Musikern, dann kriege ich praktisch ein Privatkonzert und dann höre ich, ob das passt. Und auch wenn ich die Geschichte vorgelesen kriege und wir dann eine Probe haben, und mir liest eine Schauspielerin oder ein Schauspieler genau meine Geschichte vor und ich bin die einzige Zuhörerin, dann denke ich: was für ein Luxus! Also, wie toll ist das denn! Die lesen jetzt für mich und die spielen für mich. Und dann am Schluss, wenn man alles zusammenmontiert, ganz am Ende von so einer Produktionsphase, wenn es dann wirklich passt, dann ist es großes, tiefes Glück.
Wie wird es denn in der Zukunft mit der Edition SEE-IGEL weitergehen? Welche besonderen Pläne haben Sie? Vorhin hatten wir kurz die Situation wegen Corona angesprochen, vermutlich gibt es auch Einbußen. Welche besonderen Pläne haben Sie für die Zeit nach der Pandemie?
Also im Moment versuche ich einfach zu überleben mit meinem Verlag und das gelingt mir sicher. Ich habe ja nicht umsonst den Glücksengel geschrieben. Ich glaube, dass das schon klappen wird. Ich hoffe ja irgendwie auf ein Ende der Pandemie. Ich bin gerade gestern das dritte Mal geimpft worden und mehr kann ich ja auch nicht tun. (lacht) Irgendwann kommt man an den Punkt, dass wir damit leben können, und ja, dass meine Produktionen wieder auf die Bühne kommen. Die Inhalte bleiben schließlich. Und selbst wenn jetzt drei Jahre nichts wäre, meine Inhalte, die sind wertvoll, die bleiben wertvoll und ich hoffe, dass ich die Möglichkeit wiederbekomme, Menschen damit zu berühren, denn das ist mein Hauptanliegen.
Für die nächste Produktion, die übrigens mit Robert Stadlober ist, war ich auch schon im Studio. Das ist die Geschichte, von der ich vorher erzählt habe „Und der Igel schwimmt doch“, die mache ich gerade zu meinem Jubiläum, weil ich mir das gewünscht habe, mal mit einem anderen Erzähler diese Hörproduktion zu machen. Ich habe die erste Version vor über 20 Jahren gemacht, bei der es mittlerweile Entwicklungen gibt. Ein paar Sachen am Text habe ich poliert und der Robert Stadlober hat das super gut gelesen. Da freue ich mich schon drauf, wenn die Geschichte im Frühling erscheint.
Das ist ja trotzdem nochmal ein positiver Ausblick. Und passt auch mit der Geschichte, die sie damals nach fünf Jahren geschrieben haben, als es mit dem Verlag geklappt hat und jetzt sehen Sie trotzdem weiterhin positiv in die Zukunft und das wird auch weiterhin klappen. Das ist passend und schön.
Frau Kleeberg, herzlichen Dank für das Gespräch, für die vielen Einblicke in Ihr Leben und Ihre sehr schöne Arbeit. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für Ihre Produktionen und auch, dass es bald wieder seinen ‚normalen‘ Weg gehen wird.
Auch ich möchte mich zum Schluss bedanken. Es ist einfach eine Ehre für das Hörmedium des Monats ausgewählt zu werden. Ich will ja gehört werden und wenn ich merke, ich bin gehört worden und werde noch wertgeschätzt, dann ist das ein großes Geschenk – ein bisschen wie verfrühtes Weihnachten. Weihnachten verfrüht, wie ein Weihnachtsgeschenk, mit dem man nicht gerechnet hat. Es hat mich sehr, sehr gefreut.
Ute Kleeberg gründete gemeinsam mit ihrem Mann, dem Klarinettisten Uwe Stoffel, 1995 die Edition SEE-IGEL. Die gelernte Sonderschulpädagogin schreibt bekannte Märchen zeitgemäß als Kinderbücher um und bindet immer wieder Musik in ihre Hörproduktionen ein. Der Einsatz von Musik in Hörbüchern ist ihr Markenzeichen. Sie ist davon überzeugt, dass Musik hilft, die erzählten Geschichten zu verinnerlichen und vor allem durch das Herstellen eigener Bilder, Teil dieser zu werden.
Ideen für ihre Kindergeschichten entwickelt sie dabei vor allem beim Rudern am Bodensee. Dort lebt die Autorin und schafft es beim Beobachten des Wassers, Inspirationen zu sammeln.
Die Produktionen der Edition SEE-IGEL haben bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den Ehrenpreis der deutschen Schallplattenkritik 2021 und den ECHO Klassik 2010.
Alle Bildrechte liegen bei der Edition SEE-IGEL