Vorbilder von Kindern und ihre Auswirkungen

Im Leben von Kindern spielen Vorbilder eine entscheidende Rolle für ihre Entwicklung und ihr Lernen. Die ersten Vorbilder sind oft enge Bezugspersonen wie Eltern, Geschwister oder Erzieher*innen und Lehrer*innen. Doch auch Figuren aus den Medien, wie etwa Charaktere aus TV-Serien oder prominente Persönlichkeiten wie der*die Lieblingsfußballspieler*in, können bei Kindern eine prägende Wirkung haben. Kinder orientieren sich an diesen Vorbildern, um soziale Verhaltensweisen zu erlernen und ihre eigenen Werte sowie Ziele zu entwickeln. Gerade was die Entwicklung der eigenen Identität angeht, nehmen Vorbilder eine wichtige Funktion für Kinder ein.
Was ist ein Vorbild?
Ein Vorbild ist eine Person oder eine Figur, die als Maßstab für Verhalten, Werte und Ideale dient. Oft wird ein Vorbild als jemand angesehen, dessen Eigenschaften oder Handlungen bewundert und nachgeahmt werden. Vorbilder finden sich in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder in der Öffentlichkeit. Besonders unter Jugendlichen spielen Vorbilder eine wichtige Rolle, da junge Menschen auf der Suche nach Orientierung und Identität sind. Sie neigen dazu, sich an Personen zu orientieren, die bestimmte Merkmale oder Erfolge verkörpern, die sie selbst erreichen möchten. Dabei ist es jedoch wichtig, zwischen realistischen und unrealistischen Vorbildern zu unterscheiden. Während ein Vorbild inspirierend und motivierend sein kann, birgt die Idealisierung von Menschen, wie es oft in den sozialen Medien der Fall ist, die Gefahr, unrealistische Erwartungen zu wecken und das eigene Selbstbild negativ zu beeinflussen.
Welche Rolle haben Vorbilder in der Entwicklung?
Kinder erwerben Wissen durch die Beobachtung und Imitation ihrer sozialen Interaktionspartner*innen. Das Imitieren gelingt je nach ihrer motorischen und sprachlichen Entwicklung. Viele Jahre lang ging man in der Psychologie von der Theorie aus, dass die Nachahmung bei Kindern schon von Geburt an vorhanden ist.
Doch die Fähigkeit zur Nachahmung ist Kindern laut einer neuen Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München nicht angeboren, sondern muss erst erlernt werden. Wie gut ein Kind lernt, Andere nachzuahmen, lässt sich auf die Feinfühligkeit der Eltern in der Frühkindheit zurückführen: Die Feinfühligkeit könne demnach ein Indikator dafür sein, in welchem Maße das Kind das Verhalten der Bezugsperson imitiert.
Eine Vorbildrolle geht immer mit einer hohen Verantwortung einher: Eltern sind für ihre Kinder oft die ersten Vorbilder. Die Nachahmung von Mimik und Gestik dieser entwickelt sich zunächst zur Nachahmung der eigenen und schließlich werden die Handlungen der Eltern imitiert. Eltern sollten ihren Kindern daher Werte wie Respekt, Ehrlichkeit und Freundlichkeit vorleben, damit Kinder diese lernen.
Doch Eltern, die beispielsweise negative Verhaltensweisen an den Tag legen, wie eine schlechte Ernährungsweise oder aggressives Verhalten, werden von den Kindern als Normalität aufgefasst. Im schlimmsten Fall wird diese Verhaltensweise womöglich später einmal übernommen.
Vorbilder in der medialen Nutzung
Die mediale Nutzung unter Kindern hat in den letzten Jahren stark zugenommen.
Die miniKIM-Studie aus dem Jahr 2023 ergab, dass neben den Bewegtbildoptionen von Streamingplattformen über Mediatheken bis zum klassischen Fernsehen 84 Prozent der Jungen und Mädchen im Alter zwischen zwei und fünf Jahren wöchentlich zumindest eines dieser Angebote nutzen. Bei den sechs- bis 13-Jährigen sehen laut KIM-Studie aus dem Jahr 2022 92 Prozent mindestens wöchentlich, 67 Prozent sogar täglich fern. Die JIM-Studie aus dem Jahr 2023, welche die Mediennutzung von Zwölf- bis 19-Jährigen betrachtete, kam zu dem Ergebnis, dass das Smartphone mit 98 Prozent das meistgenutzte Gerät sei. 95 Prozent seien regelmäßig online, drei Viertel würden mindestens mehrmals pro Woche Fernsehen gucken und 71 Prozent nutzten regelmäßig Videostreaming-Dienste. Die Mediennutzung sowie deren Häufigkeit nimmt mit steigendem Alter zu.
Bei diesen Zahlen ist es nicht verwunderlich, wenn sich Kinder Vorbilder aus der medialen Welt suchen. Laut den Ergebnissen der KIM-Studie aus dem Jahr 2022 gaben rund 42 Prozent der Sechs- bis 13-jährigen Mädchen an, dass sie für Personen oder Gruppen aus dem Film- und Fernsehbereich schwärmten, gefolgt vom Musikbereich. 54 Prozent der Jungen gaben an, dass ihr Vorbild aus dem Sportbereich stamme, gefolgt vom Bereich Fernsehen und Film. Dabei wurde erkannt, dass die Idole der Studienteilnehmer*innen weitestgehend aus dem Themenbereich stammten, für die ein persönliches Interesse bestand.
Zwischen Mädchen und Jungen bestehen Unterschiede in der Wahl ihrer Medienidole. Befinden sich Jungen noch in der Grundschule, wird oft ein mutiger Charakter bevorzugt, wie Spiderman. Mädchen wiederum sehen tendenziell in weiblichen Figuren wie Prinzessin Lillifee, oder auch Tierfiguren, die Abenteuer erleben, ein Idol. Für beide Geschlechter kommen Vorbilder dann in Frage, wenn man selbst gerne mit der Figur befreundet wäre oder sich mit ihr identifizieren kann.
Junge Kinder sind besonders anfällig dafür, sich mit einem Idol zu identifizieren und dieses nachzuahmen. Dies geschieht beispielsweise, indem sie mit ihrem Spielzeug die Abenteuer ihrer Held*innen nachspielen und in die Haut der Protagonist*innen schlüpfen. Verschiedene Charaktere bieten Kindern somit eine Möglichkeit, in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen.
Mit zunehmendem Alter der Kinder besteht jedoch die Gefahr, dass sie sich Vorbildern zuwenden, deren Geschlechterrollen stark übertrieben dargestellt sind. Zudem orientieren Jugendliche sich oft an vermeintlich perfekten Persönlichkeiten aus den sozialen Medien, wie zum Beispiel Influencer*innen. Dabei wird selten durchschaut, dass diese „Perfektion“ nicht der Realität entspricht und viele der auf Social Media aktiven Menschen nicht ihre wahre Persönlichkeit zur Schau stellen.
Jugendliche stehen daher unter einem besonders starken Druck, sich „anzupassen“ und einem unrealistischen „Ideal“ zu entsprechen, der von den sozialen Medien ausgeht. Vergleiche unter Jugendlichen entsprechen grundsätzlich der Normalität, werden jedoch schädlich, wenn dies in ein negatives Selbstbild mündet. Durch die zeitliche und räumliche Unabhängigkeit von Social Media besteht zudem die Gefahr, dass sich die Wirkung medialer Vorbilder rasanter ausbreitet, als es im physischen Raum möglich ist.
Tipps für Eltern und Externe
Eltern, aber auch andere Bezugspersonen, wie Erzieher*innen oder Lehrer*innen, sind wichtige Vorbilder für Kinder. Sie sollten Werte wie Respekt, Ehrlichkeit und Freundlichkeit vorleben, damit Kinder diese lernen. Da Kinder auch Medienhelden haben, ist es wichtig, dass Eltern darauf achten, wem ihre Kinder nacheifern, da hierbei oft Geschlechterrollen zugespitzt werden können. Eltern sollten das Interesse ihrer Kinder an Medienvorbildern verstehen und im Gespräch bleiben. Dabei ist es hilfreich, zu erklären, dass nicht alles, was in den Medien gezeigt wird, der Wahrheit entspricht. Eltern können ihren Kindern zudem helfen, gesunde Vorbilder zu finden, indem sie auf altersgerechte Medieninhalte achten und auch alternative, vielfältige Rollenbilder suchen. Sie sollten ihre Kinder über die Hintergründe von Werbung und Medienbildern aufklären, damit sie lernen, diese kritisch zu hinterfragen.
Es ist wichtig, mit Kindern über die Risiken in sozialen Medien zu sprechen, wie etwa ungesunde Gruppen oder Körperkult. Eltern sollten negative Bemerkungen über das Aussehen des Kindes vermeiden und stattdessen das Selbstbewusstsein stärken, indem sie die Stärken und Interessen des Kindes anerkennen. Wenn Eltern merken, dass sich ihr Kind mit seinem Körper unwohl fühlt, sollten sie das Gespräch suchen und bei Bedarf Hilfe anbieten. So können sie ihre Kinder unterstützen, in einer von Medien geprägten Welt gesund und selbstbewusst zu wachsen.
Quellen und weiterführende Informationen
Daum, M. M.; Gampe, A. (2016): Die Rolle von Vorbildern in der sozial-kognitiven Entwicklung. Psychologie und Erziehung 42/1, 10-13.
Denk mit Kita (o.D.): Kindern ein Vorbild sein: Worauf Eltern und Erzieher:innen achten müssen. https://www.denk-mit.de/de/magazin/miteinander/kindern-ein-vorbild-sein-worauf-eltern-und-erzieherinnen-achten-muessen . (11.12.2024)
Easy-Tutor (2022): Social Media: Wirkung medialer Vorbilder. https://www.easy-tutor.eu/journal/social-media-mediale-vorbilder/ . (15.12.2024)
ErzieherIn.de (2022): Vorbildlernen bei Kindern. https://www.erzieherin.de/vorbildlernen-bei-kindern.html . (13.12.2024)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2023): miniKIM-Studie 2023: Kleinkinder und Medien. https://mpfs.de/studie/minikim-2023/ . (11.12.2024)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2023): JIM-Studie 2023: Jugend, Information, Medien. https://mpfs.de/studie/jim-studie-2023/ . (11.12.2024)
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2023): KIM-Studie 2022: Kindheit, Internet, Medien. https://mpfs.de/studie/kim-studie-2022/ . (11.12.2024)
Schau hin! (o.D.): Körperkult in Sozialen Netzwerken – Tipps für Eltern
https://www.schau-hin.info/tipps-regeln/koerperkult-in-sozialen-netzwerken . (11.12.2024)
Schau hin! (o.D.): MedienheldInnen – die Vorbilder unserer Kinder. https://www.schau-hin.info/grundlagen/medienheldinnen-die-vorbilder-unserer-kinder . (11.12.2024)
Springer Pflege (2023): Soziales Lernen: Gegenseitige Imitation gibt den Ausschlag. https://www.springerpflege.de/news-hebammen/soziales-lernen-gegenseitige-imitation-gibt-den-ausschlag/26193850 . (13.12.2024)
Statista (2024): Aus welchem Bereich stammt die Person oder Gruppe, für die Du besonders schwärmst? https://de.statista.com/statistik/daten/studie/29998/umfrage/bereiche-aus-denen-vorbilder-und-idole-fuer-kinder-stammen/ . (11.12.2024)